Wieso haben es Eritreer so schwer bei der Integration? Es liege an der Politik, aber auch an unterschiedlichen Ansichten. Doch es werde besser, sagen manche.
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Ein anerkannter Flüchtling aus Eritrea arbeitet bei der Post als Lehrling für Logistik, Mai 2019. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die eritreische Gemeinschaft hat mit negativen Schlagzeilen für Aufmerksamkeit gesorgt.
  • Tatsächlich sei die Integration harzig, sagen Eritreer und ein Migrationsexperte.
  • Aber über die Zeit und mit Druck auf die Politik könnte sich die Lage verbessern.
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Sowohl in der Schweiz als auch in den Nachbarländern sind Festivals für Eritreerinnen und Eritreer im Exil eskaliert. Grund dafür ist eine Lücke zwischen den Generationen: Jene, die vor 40 Jahren in die Schweiz gekommen sind, verehren den Diktator in ihrer Heimat als Befreier. Die jüngeren kritisieren ihn.

Die «NZZ» ist drei Eritreern begegnet. Sie sprechen über eine schwierige Integration, aber auch über Chancen für die jüngere, hier eingeschulte Generation.

Junge Eritreer wollen arbeiten

Samuel Okubay hat die eritreische Fussballliga in der Schweiz gegründet: 450 Spieler sind in den Kantonen verteilt. Okubay selbst spielt bei «Eri Zug». Seit Team trifft sich seit den Ausschreitungen im Sommer nur einmal statt zweimal die Woche.

Eri Zug Eritrea
Das Team von «Eri Zug». - Stadt Zug

«Es läuft nicht gut mit der Integration», sagt er. Jenen Eritreern, die noch keinen Job oder keine Ausbildung hätten, würden mit dem Fussball abgeholt. Denn es sei besser, Sport zu treiben, als in einer Bar abzuhängen, sagt Okubay.

Aber: «Die ältere Generation will uns nicht helfen.» Diese lebten schon seit den Achtzigerjahren hier, sprächen aber kein Deutsch und seien von der Sozialhilfe abhängig.

Die jüngeren Ausgewanderten seien aber motiviert, zu arbeiten, sagt der verheiratete, 24-jährige Vater. Die eritreischen Staatsangehörigen, die in der Schweiz erwerbstätig ist, sind tatsächlich grossmehrheitlich jünger als 40. Okubay und seine Mitspieler helfen einander bei der Stellensuche. Viele Junge suchten nach Lehrstellen und fänden sie auch, etwa als Sanitärinstallateure.

Schwierige Voraussetzungen für Eritreer

Und doch: Der ehemalige Direktor des Bundesamts für Migration, Eduard Gnesa sagt, die Integration der Eritreerinnen und Eritreer «verläuft harzig». Es sei aber ähnlich schwierig bei Syrerinnen und Syrer sowie Afghaninnen und Afghanen. Mangelnde Sprachkenntnisse, Misstrauen in Behörden, psychische Traumata wegen der Flucht, schlechte Bildung und andere Faktoren erschwerten die Integration.

Eduard Gnesa
Eduard Gnesa, im Bild noch Vorsitzender des globalen Forums für Migration und Entwicklung (Dezember 2011). - keystone

Shishai Haile, ein wegen seines katholischen Glaubens geflüchteter Eritreer, sagt es so: «Die Schweizer Gesellschaft verlangt von mir, dass ich eigeninitiativ bin und selbständig handle. Aber in Eritrea komme ich dafür ins Gefängnis.» Haile ist heute ausgebildeter Migrationsfachmann und Dolmetscher, der den Eritreern die Schweiz erklärt.

2021 bezog jeder vierte Eritreer Sozialhilfe, aber die Erwerbsquote hat sich in zehn Jahren vervierfacht. Viele arbeiten im Niedriglohnsektor und sind deshalb trotzdem auf finanzielle Hilfe angewiesen. Eduard Gnesa sagt, sie erhielten nicht den vollen Betrag der Sozialhilfeunterstützung.

Glauben Sie, der Fachkräftemangel kann mit Integrations-Projekten gedämpft werden?

Die Situation verbessere sich aber, sagt der Experte. Die Asylanträge würden weniger, und immer mehr von den eingereichten Anträgen seien Sekundärgesuche. Heisst, es handelt sich um Familiennachzüge oder Geburten. Nach und nach werden die Gemeinschaft hierzulande eingeschult und jünger, was die Integration erheblich vereinfache.

Druck des Regimes durch «Diaspora-Steuer»

Veronica Almedom ist als achtmonatiges Kind in die Schweiz gekommen. Die Grünen-Politikerin findet, die Migrantinnen und Migranten müssten sich grundsätzlich um ihre Integration bemühen. Aber auch die Schweiz habe eine Verantwortung.

Eritrea Diktatur Protest
Eritreer protestieren gegen den Einfluss des eritreeischen Diktatoren-Regimes in der Schweiz, 9. November 2023. - keystone

So etwa, wenn es um den langen Arm des diktatorischen Regimes bei den Geflüchteten geht. Es werde einfach ignoriert, wenn Letztere unter Druck von Ersterem gesetzt würden, etwa mit der «Diaspora-Steuer».

Aber auch die Asylpraxis gegenüber Eritreern findet Almedom widersprüchlich. Manchmal würden Personen, die eine Berufslehre angefangen haben, aufgefordert, die Schweiz zu verlassen.

Klar ist für alle aber: Jene Eritreer, die für das Regime arbeiten, müssen ausgeschafft werden. Wie das umgesetzt werden soll, ist zunächst noch unklar.

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