«4-köpfige Familie kann man mit 100-Prozent-Job nicht mehr ernähren»

Keystone-SDA
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Bern,

Der Geschäftsführer der Konferenz für Sozialhilfe sagt: Erwerbstätige Familien mit tiefen Löhnen sind heute schlechter gestellt als Sozialhilfe-Bezüger.

Markus Kaufmann Sozialhilfe
«Sozialhilfe-Ausgaben sind seit 2019 rückläufig», erklärt Markus Kaufmann, Geschäftsführer der Konferenz für Sozialhilfe. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Sozialhilfe-Chef Markus Kaufmann befindet die Sozialhilfe-Kosten nicht als zu hoch.
  • Erwerbstätige Familien könnten jedoch schlechter gestellt sein als Sozialhilfe-Bezüger.
  • Denn: Eine vierköpfige Familie könne man mit einem tiefen Lohn nicht mehr ernähren.

Der Geschäftsführer der Konferenz für Sozialhilfe wehrt sich gegen den Vorwurf, die Kosten für die Sozialhilfe seien zu hoch. Seit 2019 hätten die Ausgaben in diesem Bereich abgenommen, erklärt Markus Kaufmann in der «NZZ».

Der Anteil der Sozialhilfebeziehenden an der Bevölkerung sei mit 2,8 Prozent so tief wie seit 2005 nicht mehr.

Weder die Corona-Pandemie noch die Flüchtlingskrise von 2015 hätten zur «vielbeschworenen Kostenexplosion» geführt.

Was er jedoch nicht bestreitet: Dass erwerbstätige Familien mit tiefen Löhnen schlechter gestellt sind als Familien, die von Sozialhilfe leben.

«Es ist leider so, dass man in der Schweiz eine vierköpfige Familie mit einem 100-Prozent-Job in einer Tieflohnbranche nicht mehr ernähren kann», sagt Kaufmann der Zeitung.

Das würde allerdings nicht bedeuten, dass die Sozialhilfe zu hoch sei.

Die Vorstellung, Leistungen zu kürzen, um damit mehr Leute auf den Arbeitsmarkt zu bringen, bezeichnet er als weltfremd.

«Die meisten Menschen wollen eine Arbeit finden, auf eigenen Füssen stehen und sich als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft fühlen können.»

Wenn das heutige System tatsächlich falsche Anreize setzen würde, hätte sich die Zahl der Beziehenden anders entwickelt. Tatsächlich seien die Kosten pro Fall gesunken.

Das deute darauf hin, dass viele eine Arbeit gefunden hätten, mit der sie jedoch noch nicht ganz ohne Sozialhilfe auskämen.

Sozialhilfeexperte forderte Rückbau

Zuvor hatte die «NZZ» berichtet, dass der Sozialhilfeexperte Urs Mühle einen «Rückbau» der Fürsorge fordert.

Er argumentiert, dass die Sozialhilfe über die Grundsicherung hinausgehe und von der Konferenz für Sozialhilfe weiter ausgebaut werde.

Sollte weniger Geld für die Sozialhilfe ausgegeben werden?

Kaufmann widerspricht dem. Er betont, dass es seit den 1990er-Jahren keinen Ausbau gab. Der monatliche Grundbedarf sei heute tiefer als 1997 – obwohl die Lebenshaltungskosten gestiegen seien.

Kommentare

User #1197 (nicht angemeldet)

Leider werden diejenigen, die arbeiten, noch bestraft, aber auch Rentner, die Rente der zweiten Säule wurde bei den meisten Kassen seit Jahrzehnten nicht angepasst, da fehlt heute fast etwa 30% oder mehr. Fazit wer keine Lobby hat, weder Bauer noch "Flüchtling" hat seit Jahren immer noch weniger.

User #2157 (nicht angemeldet)

Ohne Mindestlohn benötigt die Familie Sozialhilfe. Das ist dem Arbeitgeber offenbar egal.

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