Sie hat einen deutschen Kanzler geohrfeigt, Nazis vor Gericht gebracht und jüdische Opfer vor dem Vergessen bewahrt – Beate Klarsfeld wird 85.
Beate Klarsfeld
Als «Nazi-Jäger» bekannt: Beate und Serge Klarsfeld. (Archivbild) - AFP

Die in Paris lebende Beate Klarsfeld wird am Dienstag 85 Jahre alt. Gemeinsam mit ihrem Mann Serge widmete sie ihr Leben der Aufarbeitung der Schoah – eine protestantische Deutsche, verheiratet mit einem nicht religiösen jüdischen Franzosen. Nach Paris war sie als Au-pair-Mädchen gekommen, geblieben war sie wegen Serge.

Wer die beiden im schicken 8. Arrondissement besucht, wird dort von zwei kläffenden Hunden empfangen, die sich nicht so leicht abschütteln lassen. In den Büros stapeln sich Aktenberge, die sich in Jahrzehnten akribischer Recherche aufgetürmt haben.

Unermüdlich sammelten die Klarsfelds Informationen über die Nazi-Verbrecher – und setzten alles daran, dass diese zur Rechenschaft gezogen würden. Einer ihrer grössten Erfolge war die Festnahme des SS-Kriegsverbrechers Klaus Barbie, der wegen seiner Grausamkeit der Schlächter von Lyon genannt wurde. Die Klarsfelds hatten ihn Anfang der 70er Jahre in Bolivien ausfindig gemacht und planten seine Entführung.

«Die Ohrfeige, die Deutschland brauchte»

«Wir hatten Geld gesammelt und ein Auto organisiert», erinnert sich Beate Klarsfeld. «Freunde von uns waren unterwegs, um ihn zu kidnappen. Aber dann sprang ein Lama vor das Auto, und das Auto kippte um», erzählt sie. So scheiterte die Entführung Barbies aus Bolivien, aber elf Jahre später wurde er – nicht zuletzt dank des Engagements der Klarsfelds – nach Frankreich ausgeliefert und dort zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

«In Deutschland hätte er nicht lebenslang bekommen», davon ist Beate Klarsfeld immer noch überzeugt. Immer wieder hielt sie den Deutschen vor, die Augen vor der eigenen Geschichte zu verschliessen. «Es wurde damals nicht über Verantwortung gesprochen», sagt sie.

Dafür haute sie CDU-Kanzler Kurt Georg Kiesinger im November 1968 öffentlich eine runter. Kiesinger war 1933 in die NSDAP eingetreten und hatte während des Zweiten Weltkriegs einen wichtigen Posten im Reichsaussenministerium inne, behauptete aber später, von der Judenverfolgung nichts gewusst zu haben.

«Es war die Ohrfeige, die Deutschland brauchte», sagt die feingliedrige alte Dame und weist nebenbei ihre um Aufmerksamkeit heischenden Hunde zurecht. Sie hatte sich als Journalistin auf das Podium eines Berliner Parteitags geschmuggelt. «Ich kam von hinten an ihn heran und habe auch sein Auge getroffen. Er hatte braune Augen, so braun wie seine Vergangenheit», sagt sie.

In Frankreich und Israel mit Ehrungen überhäuft

Der Schriftsteller Heinrich Böll schickte ihr zum Dank 50 rote Rosen. Klarsfeld wurde in einem Schnellverfahren zu einem Jahr Haft verurteilt. Da sie aber längst Französin geworden war, musste sie die Strafe nicht antreten.

Neben der Jagd auf die Nazis bekam die Recherche nach deren Opfern immer mehr Gewicht. Jahr um Jahr trugen die Klarsfelds Informationen über die 80'000 aus Frankreich deportierten Juden zusammen, Namen, Anschriften, Fotos. Sie gaben Bücher heraus und initiierten zu Gedenktagen das Verlesen der Namen.

Wie hat sie das ausgehalten, sich so intensiv mit all diesen Schicksalen zu befassen? Auf diese Frage hat Beate Klarsfeld keine Antwort. «Wir haben erreicht, dass die Verbrecher verurteilt wurden», sagt sie bloss. Zu den vielen Opfern zählt auch der Vater ihres Mannes Serge, der in Auschwitz ermordet wurde. Über Serges Schreibtisch hängt bis heute der Plan des Vernichtungslagers von Auschwitz.

Für ihr Werk wurden die Klarsfeld in Frankreich und Israel mit Ehrungen überhäuft. Deutschland tat sich lange Zeit schwer mit der unbequemen Ausgewanderten.

Beate Klarsfeld bekam 2015 das Bundesverdienstkreuz verliehen

Als eine gewisse Genugtuung empfand Beate Klarsfeld es, dass die Linke sie 2012 zur Kandidatin für die Wahl des deutschen Bundespräsidenten nominierte und sie 2015 schliesslich das Bundesverdienstkreuz verliehen bekam. «Es hat lange gedauert», sagt sie.

Dass ausgerechnet die beiden Klarsfelds sich in den vergangenen Monaten der rechtspopulistischen Partei von Marine Le Pen angenähert haben, hat in Frankreich Befremden ausgelöst. «Le Pen ist nicht antisemitisch», sagt Beate Klarsfeld. «Die Partei hat sich geändert», ergänzt ihr Mann. «Ich würde sie nicht wählen, aber sie ist kein Feind mehr.» Die Organisation SOS Racisme warf den beiden vor, zur «Banalisierung des Rechtsextremismus» beizutragen.

Zur AfD haben die Klarsfelds ihre Meinung allerdings nicht geändert. «Das ist eine rassistische und antisemitische Partei», sagt die bald 85-Jährige.

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