Marianne Faithfull weisst nicht, ob sie jemals wieder singen kann. Nun hat die Musikerin mit «She Walks In Beauty» ein Poesie-Album herausgebracht.
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Die britische Sängerin Marianne Faithfull hatte sich mit dem Coronavirus infiziert. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Marianne Faithfull kann seit ihrer Corona-Infektion nicht mehr singen.
  • Nun hat die 75-Jährige das Poesie-Album «She Walks In Beauty» veröffentlicht.
  • Darauf rezitiert die Musikerin Gedichte britischer Romantik-Poeten.

Ihr herber Gesang ist nach einer Corona-Infektion vielleicht für immer verstummt. Das hält Marianne Faithfull aber nicht von einem neuen Album ab. Sie liest nun Gedichte – zu Klangcollagen prominenter Verehrer wie Nick Cave, Warren Ellis und Brian Eno.

Zuletzt überstand sie auch noch eine schwere Covid-19-Erkrankung. Es war äusserst knapp, wie ganz oft in ihrem bald 75-jährigen bewegten Leben. Marianne Faithfull hat schon so viel Drama, Drogensucht, Chaos und Krankheit hinter sich. Fast vergisst man, dass sie mit einer hellen Stimme des «Swinging London» längst zu einer der grössten Interpretinnen überhaupt wurde.

Marianne Faithfull
Die britische Sängerin Marianne Faithfull. - dpa

Auf ihrem neuen Album «She Walks In Beauty» lässt die englische Düsterpop-Diva nun ihren brüchigen und kratzigen Gesang hinter sich. Zu sphärischen Arrangements aus Synthesizer, Klavier, Geige und Cello rezitiert Faithfull Gedichte britischer Romantik-Poeten des 19. Jahrhunderts: Lord Byron, John Keats, Percy Shelley, William Wordsworth.

Marianne Faithfull: «Vielleicht kann ich nie wieder singen»

Sie tut das mit einzigartig rauer, teilweise (womöglich coronabedingt) kurzatmiger Stimme, eindringlichem Ernst und angemessenem Pathos. Zur anspruchsvollen Dichtkunst hatte Faithfull schon immer eine enge Verbindung.

Nicht nur, weil sie von der Familie des österreichischen Schriftstellers Leopold Ritter von Sacher-Masoch (1836-1895) abstammt. Wie noch nie zuvor richtet sie sich nun direkt an belesene Hörer, die etwas Zeit und Konzentration mitbringen. Denn «She Walks In Beauty» ist keine leichte Kost.

«She Walks In Beauty»
Das Cover des Albums «She Walks In Beauty» von Marianne Faithfull und Warren Ellis. - dpa

Das Album ist so weit von Pop entfernt wie Herzschmerz-Schlager von Beethovens 9. Sinfonie. Das Ergebnis: eine Platte, wie es sie selbst in dieser wechselhaften, von langen krisenbedingten Pausen geprägten Karriere noch nicht gegeben hat.

Und womöglich ihre letzte. «Vielleicht bin ich nie wieder in der Lage, zu singen», sagte Faithfull kürzlich dem britischen «Guardian». «Kann sein, dass das vorbei ist. Ich wäre unglaublich erschüttert, aber auf der anderen Seite: Ich bin 74.»

Und sie hoffe auf Wunder, seit ihr die Londoner Covid-Ärztin gesagt habe, dass sich ihre Lungen nie wieder erholen würden. «Wir müssen hoffnungsvoll sein, das ist wirklich wichtig. Und ich bin es, ja. Ich bin verdammt nochmal immer noch hier.»

«She Walks In Beauty» mit Top-Musikern

Wie schon auf früheren Alben mit jüngeren Top-Musikern fand Marianne Faithfull auch für «She Walks In Beauty» illustre Mitstreiter. Der Australier Warren Ellis wird als rechte Hand der Aufnahmen sogar auf dem Plattencover erwähnt. Nick Cave, mit dem Ellis kürzlich das hochklassige Lockdown-Album «Carnage» vorgelegt hatte, steuerte Piano-Parts zu den Klangcollagen bei. Ausserdem waren die Produzenten-Asse Brian Eno und Flood an dem Projekt beteiligt.

Marianne Faithfull
Marianne Faithfull und der australische Musiker Warren Ellis. - dpa

«Sie ist echt», sagt Ellis über die in Würde gealterte Sängerin und Gelegenheitsschauspielerin («Irina Palm»). «Sie ist absolut genial, und sie ist einmalig.» Faithfull sei immer relevant geblieben und «nicht zu einer Nostalgie-Figur verkommen», so der rauschebärtige Multiinstrumentalist der Cave-Band The Bad Seeds.

Ihr Poesie-Album gilt zwar nicht als erster Versuch, Dichtkunst und Musik zu verbinden, aber sicher als einer der gelungeneren.

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