Eine karnevalistische Zeitreise mit Manuel Andrack
Manuel Andrack war quer durchs Land verschiedenen Karnevalsbräuchen auf der Spur. Über seine Erlebnisse hat er ein Buch geschrieben, das ein wenig jecke Gefühle aufkommen lässt - in einer Zeit, in der närrischer Frohsinn nicht angesagt ist.

Das Wichtigste in Kürze
- Die traditionellen grossen Karnevalsfeiern wird es in dieser Saison wegen der Corona-Pandemie nicht geben - und ausgerechnet jetzt erscheint ein Buch von Manuel Andrack über den Karneval.
Ausgerechnet jetzt? Gerade jetzt! Denn der locker-leicht geschriebene Erfahrungsbericht «Mein Jahr als Narr» bietet Jecken in dieser humorarmen Zeit immerhin ein bisschen Balsam für die Seele.
Andrack (55), gebürtiger Kölner und bekannt als Sidekick von Unterhaltungskünstler Harald Schmidt, war ein Jahr im Karneval unterwegs, und zwar in ganz Deutschland und einigen Nachbarländern. Natürlich war das vor Corona, als im närrischen Bereich noch alles gut war. Aber Andrack kriegt den Dreh, indem er in einem Vorwort auf die aktuelle Situation eingeht.
«Nun ist «Mein Jahr als Narr» zu einer Reportage aus einer fernen Zeit geworden, als man noch eng beieinander am Zugweg stand, bei Sitzungen schunkelte, sang und Bützen der Normalfall und kein Angriff auf die Gesundheit war», schreibt Andrack da - und gibt sich zuversichtlich: «Ich bin mir aber sicher, dass es einen kompletten närrischen Lockdown während der tollen Tage nicht geben wird.» Nun ja, warten wir es ab.
Andrack nimmt die Leser mit auf eine launige Reise in grosse Hochburgen und kleine Orte, in denen der Karneval eine wichtige Rolle spielt - und lernt dabei Brauchtum kennen, das ihm als eingefleischtem Jecken bis dahin unbekannt war.
So startet er kurz nach dem Aschermittwoch 2019 mit dem «Morgestraich» in Basel, «einer für mich als kölscher Jung etwas schrägen Version der fünften Jahreszeit». Dort beginnt um 4 Uhr morgens der Zug der Fastnachtscliquen - bei dem die Zuschauer nicht verkleidet sind: «Kommt bloss nicht auf die Idee, euch kostümiert, womöglich auch noch geschminkt oder mit Pappnase, unter die Cliquen zu mischen.»
Andrack besucht das ostbelgische Städtchen Stavelot, wo mitten in der Fastenzeit Karneval gefeiert wird, und einen «Larvenschnitzer» in Rottweil, der Holzmasken für die Schwäbisch-Alemannische Fastnacht schnitzt. Er spricht mit Psychologen und Volkskundlern und baut historische Daten zur Geschichte des Karnevals ein.
Im Mainzer Fastnachtsmuseum lässt er sich die Funktion der Bütt - des Rednerpults - erklären und stellt fest, dass «die Bütt im Sitzungs-Karneval immer weniger gebraucht wird, der Trend geht Richtung Comedy und Musik, weg von den gereimten Politik-Sottisen». Im saarländischen Merzig tritt Andrack bei einer Sitzung dann als Büttenredner auf - und erzählt mit einer guten Prise Selbstironie, wie seine Rede trotz aller Wortfeilerei nicht so richtig beim Publikum ankommt.
Natürlich widmet Andrack sich gleich in mehreren Kapiteln dem Kölner Karneval - wobei der 11.11. dort schlecht bei ihm wegkommt: «Ich trete auf Glasscherben, Konfettireste, der ganze Boden klebt», «überall besoffene Jugendliche», stellt er fest. «Liegt es daran, dass ich schon ein spiessiger Mittfünfziger bin, dass ich diese «Feier» eher als Vorstufe einer Sodom-und-Gomorrha-mässigen Verwüstung betrachte, nicht als fröhliches Fest?»
So kommt es, dass Andrack hier tatsächlich Düsseldorf den Vorzug gibt: «Bis zur Trendumkehr bevorzuge ich doch eher «intimere» Karnevalsveranstaltungen wie das Fest zum Hoppeditz-Erwachen in der «verbotenen Stadt».»
Unbestrittener Höhepunkt ist für den Autor, der bisher vor allem Wanderführer geschrieben hat, natürlich der Kölner Rosenmontagszug. Andrack darf als Kamelle-werfender Gast des Traditionscorps «Rote Funken» mitlaufen: «Das Glück, in dieser Uniform durch die schönste Stadt am Rhein gehen zu dürfen, dieses Glück ist gigantisch.» Das mag einem karnevalfernen Leser zwar mächtig dick aufgetragen erscheinen - lässt jecke Herzen in diesen Zeiten aber wohl höher schlagen.
- Manuel Andrack: Mein Jahr als Narr. Dem Geheimnis von Karneval, Fasching, Fastnacht auf der Spur, dtv-Verlag, München, 336 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-423-26276-7.