«Chroniken des Aufziehvogels»: geheimnisvoll, schön surreal

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Deutschland,

Es ist eine mysteriöse Geschichte mit übersinnlichen Elementen mitten im realen, modernen Alltag von Tokio. Im «Aufziehvogel» lässt Haruki Murakami rätselhafte Dinge geschehen und seltsame Figuren auftreten.

«Die Chroniken des Aufziehvogels», ein Roman von Haruki Murakami. Foto: -/Dumont Verlag/dpa
«Die Chroniken des Aufziehvogels», ein Roman von Haruki Murakami. Foto: -/Dumont Verlag/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Es sind gut 1000 Romanseiten - und jede einzelne lohnt sich.

«Die Chroniken des Aufziehvogels» vom populären japanischen Autor Haruki Murakami sind wunderbar surreal und geheimnisvoll, spannend bis zuletzt.

Es ist die Geschichte des 30-jährigen Toru Okada, der eigentlich ein zufriedenes, recht unspektakuläres Leben in Tokio führt, mit Redakteurin Kumiko glücklich verheiratet ist. Doch dann verschwindet erst der Kater, dann die Ehefrau, und die merkwürdigsten Unbekannten poltern in sein Leben.

Wie so oft bei Murakami sind die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Traum fliessend, es geht fantastisch und übersinnlich zu. Toru, der seine Laufburschen-Stelle in einer Anwaltskanzlei gekündigt hat, widmet sich ganz der Suche nach seiner Frau. Er geht von übernatürlichen Kräften aus, die ihm Kumiko genommen haben - selbst, als diese ihm lange nach ihrem sang- und klanglosen Verschwinden in einem Brief eine Affäre beichtet.

Toru hält sich für gewöhnlich und unbedeutend, für einen Mann ohne besondere Eigenschaften. Und ist gerade deswegen doch umso sympathischer. Genügsam und zäh hält er alle Zumutungen stoisch aus, neigt zur Selbstaufopferung, will mit allen Mittel seine grosse Liebe zurück.

Zum konzentrierten Nachdenken zieht er sich in einen ausgetrockneten Brunnen auf einem verlassenen Grundstück zurück. Dort kauert er in der Tiefe und Dunkelheit, ihn überkommen ihn Visionen, Übersinnliches stürzt über ihn ein. Seit diesen Stunden, in denen sich Torus Bewusstsein von seiner körperlichen Hülle löst, zeichnet ihn ein grosses blauschwarzen Mal auf der rechten Wange.

Und Murakami - schon oft als Literaturnobelpreisträger gehandelt - gibt auch den dunklen Zeiten japanischer Geschichte Raum. Ein früherer Leutnant berichtet Toru über seine lange zurückliegenden und nie verschmerzten Schicksalsjahre zur Zeit der Besetzung der Mandschurei vor dem zweiten Chinesisch-Japanischen Krieg in den 1930er Jahren. Entbehrungen, Gewalt, Gräueltaten.

Auch eine Wahrsagerin und deren Schwester teilen ihre seltsamen Schicksale mit dem jungen Japaner, zudem eine 16-Jährige aus der Nachbarschaft - jede mit einer krassen Eigenart. Toru lässt sich auf alle ein, hört zu, wundert sich nicht, verurteilt nicht. Letztlich erweisen sich alle Storys als miteinander verwoben, mysteriös und unerklärlich.

Nur eine Person trifft auf Torus geballte Abneigung: Den Bruder seiner Frau Kumiko, einem «intellektuellen Chamäleon», kalten und ehrgeizigen Uniprofessor, der in die Politik strebt, hasst er geradezu. Und ausgerechnet diese Figur spielt eine zentrale Rolle in dem Ganzen.

Schon vor gut 20 Jahren war Murakamis Werk als «Mister Aufziehvogel» erschienen, allerdings umwegig - als deutsche Übersetzung der englischen Übersetzung des japanischen Originals. Die damalige Ausgabe war rund 300 Seiten kürzer und auch stilistisch anders, heisst es beim Dumont Verlag. Übersetzerin und Murakami-Expertin Ursula Gräfe meint, auch «interessante und relevante Abschnitte» hätten gefehlt, nun gebe es einen «deutlichen Mehrwert». Sie habe sich bemüht, Murakamis Credo einer «gewissen Einfachheit der Sprache» im Deutschen umzusetzen, schildert die Japanologin.

Murakami gehört zu den bedeutendesten Schriftstellern der japanischen Gegenwartsliteratur und ist auch im Westen sehr gefragt. Nach «Die Ermordung des Commendatore» (2018) und «1Q84» (2010/2011) dürfte auch der «Aufziehvogel»-Roman viele in seinen Bann ziehen.

- Haruki Murakami: Die Chroniken des Aufziehvogels, Verlag DuMont, 1005 Seiten, 34,00 Euro, ISBN 978-3-8321-8142-0.

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