Die ehemalige SP-Stadträtin Alina Murano wohnt neu in Zürich und sieht Ungerechtigkeiten im Mietrecht. Ein Gastbeitrag.
Alina Murano
Alina Murano ist ehemalige Stadträtin von Bern und vor kurzem der SP Zürich 5 beigetreten. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • SP-Politikerin Alina Murano kritisiert Ungerechtigkeiten im Zürcher Mietrecht.
  • In Zürich ist die hohe Nachfrage für die zu wenigen Wohnungen das Hauptproblem.
  • In diesem Gastbeitrag kritisiert Murano die meist überhöhten Mietpreise.
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Zwei Sachen habe ich bisher in Zürich gelernt. Erstens sind die Menschen in Zürich viel freundlicher als der Ruf, der ihnen vorauseilt. Und zweitens ist es am einfachsten, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, wenn man sich gemeinsam mit ihnen über die Zustände im Zürcher Wohnungsmarkt aufregt.

Eben über diesen Wohnungsmarkt, der auch mich kürzlich an den Rand der Verzweiflung gebracht hat. So stand auch ich letzten Herbst da: Eine von Hunderten in einer Schlange, um irgendeine überteuerte Wohnung in der Stadt Zürich zu besichtigen. Nach langem Anstehen versuchte ich mit der Person, die für die Immobilienfirma anwesend war, Kontakt aufzunehmen.

Ich stellte Fragen über den Waschplan, die Grösse des Kellers und den Standort der Veloabstellplätze. Alles Sachen, die mich ehrlicherweise gar nicht wirklich interessierten.

Es war nur ein verzweifelter Versuch, dieser Person irgendwie in Erinnerung zu bleiben. Gleich nach den Besichtigungen stellte ich Unterlagen zusammen, die aufwendiger waren als jede Bewerbung auf einen Arbeitsplatz. Alles, um in dieser Masse von Wohnungssuchenden nicht unterzugehen.

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Um die Masse in Zahlen zu nennen: Die Zürcher Wohnbevölkerung ist letztes Jahr um fast 6000 Personen gewachsen. Neue Wohnungen wurden zwischen 2021 und 2022 jedoch nur 800 gebaut.

Das ist einerseits zu wenig und andererseits reicht es eben nicht, dass einfach nur mehr gebaut wird. Denn selbst wenn man dann einmal eine Wohnung hat, ist man nicht vor weiterem Missbrauch geschützt. Die Mietzinse werden Jahr für Jahr erhöht, obschon diese eigentlich sinken sollten. So sind diese gemäss dem Mietpreisindex seit 1989 um 85,4 Prozent gestiegen. 85,4 Prozent!

Unrechtmässige Anfangsmietzinse könnten zwar angefochten werden, doch ist es den Mieter entweder nicht bekannt oder es wird ihnen beinahe verunmöglicht, da nicht in allen Kantonen mitgeteilt werden muss, wie viel die Vormieter für die Wohnung bezahlt hatten.

Da überrascht es nicht, dass nur 0,2 Prozent der Anfangsmietzinse angefochten werden, denn wer will denn schon in den ersten Tagen nach Einzug mit dem Vermieter vor Gericht gehen, nachdem man monatelang gesucht hat, um überhaupt eine Wohnung zu erhalten.

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Mietwohnungen werden in letzter Zeit teurer. (Symbolbild) - keystone

Bei all diesen theoretischen Überlegungen geht leider oftmals vergessen, was all das für praktische Auswirkungen hat. So betreue ich als Anwältin aktuell einen Pro-Bono-Fall einer 105-jährigen Frau. Ihr wurde nach 50 Jahren die Wohnung gekündigt.

Die Wohnung wird kernsaniert, um dann erheblich teurer wieder vermietet zu werden. Meine 105-jährige Klientin hat somit die Wahl zwischen gerichtlicher Anfechtung der Kündigung oder dem Suchen einer neuen Wohnung. Im Zürcher Wohnungsmarkt. Mit einer bescheidenen Rente. Mit 105 Jahren.

Als wäre dies nicht genug, planen die bürgerlichen Parteien zusammen mit dem Hauseigentümerverband den Angriff auf Mieter. So soll es den Mieter noch stärker erschwert werden, den Anfangsmietzins anfechten zu können, während es den Vermieter vereinfacht werden soll, die Orts- und Quartierüblichkeit einer Wohnungsmiete zu beweisen, um so den verlangten, meist überhöhten Mietpreis zu legitimieren.

Das alles, währendem seit Jahren bekannt ist, dass viele Vermieter ungerechtfertigt hohe Renditen erzielen.

Zur Autorin: Alina Murano ist bei Emilia Rechtsschutz tätig und arbeitet als selbständige Rechtsanwältin. Sie ist ehemalige Stadträtin von Bern und seit kurzem der SP Zürich 5 beigetreten.

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