Die Klimakrise könnte beispiellose Konsequenzen für die Menschheit haben. Dennoch arbeiten Politikerinnen und Politiker kaum lösungsorientiert. Ein Gastbeitrag.
Antonia Durisch
Antonia Durisch - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Für die Wahlen im Oktober lancieren sämtliche Parteien aktuell ihre Kampagnen.
  • Der Fokus liegt jedoch zu sehr auf Stimmenfang, anstelle der eigentlichen Problemlösung.
  • Dies bemängelt Antonia Durisch von der Alternative – Die Grünen Zug in ihrem Gastbeitrag.
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Der provokative Leitsatz «Schweiz hat die Nase voll von Hetzern» schmückt die Überschrift eines kürzlich veröffentlichten Artikels von Kolumnistin Christina Bachmann-Roth auf Nau.ch.

In ihrer Darlegung zelebriert sie, wie ihre politische Fraktion, die Mitte, lieber Brücken baut als Fronten – während sie im selben Atemzug gegen divergierende politische Meinungen und Methodologien polemisiert: «Wunderbar, dass nicht einfach diejenigen gewinnen, die laut protestieren oder durch skurrile Forderungen Anerkennung oder «Likes» suchen. Ich finde es grossartig, wenn extreme Positionen langweilig oder sogar abstossend werden.»

Zeitgleich initiierte die FDP ihre Wahlkampagne für die bevorstehenden Eidgenössischen Wahlen, und zwar mit einer offensiven Attacke: «Anpacken statt ankleben! Mit Innovation der Klimakatastrophe entgegentreten. Wir machen die Schweiz stark!», so der begleitende Text auf ihren Wahlplakaten, kraftvoll unterstrichen durch eine stimmige Visualisierung der sogenannten Klima-Kleber.

Ein bedauernswerter Versuch, sich durch den Extremismus einer isolierten Bewegung und dem damit verbundenen Ärger der Bevölkerung politisch zu profilieren.

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Klimawandel. (Symbolbild) - keystone

Bei der diesjährigen Nationalratswahl trete auch ich als Kandidatin an, doch das Verhalten zahlreicher Politiker und Politikerinnen, aber auch ganzer Parteien, wirft bei mir eine Vielzahl an Fragen auf.

Ungeachtet der Tatsache, dass der am 4. Juli 2023 erreichte globale Temperaturrekord von 17,18 Grad Celsius die Wissenschaftler der US-amerikanischen Ozeanografie- und Wetterbehörde NOAA in eine beispiellose Alarmbereitschaft versetzte – da dies historisch die höchste je gemessene Temperatur war – betreiben meine politischen Kollegen und Kolleginnen ihren Wahlkampf nach gewohntem Muster – auf Kosten anderer.

Der Begriff «Klimamigration», vielen noch unbekannt und oftmals belächelt, steht für eine neue Dimension von Flüchtlingsbewegungen in den kommenden Jahrzehnten. Die von der UNHCR dokumentierten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Zwischen 2008 und 2016 wurden jährlich durchschnittlich 21,5 Millionen Menschen durch klimabedingte Katastrophen wie Überschwemmungen, Stürme, Waldbrände und extreme Temperaturen zwangsweise umgesiedelt.

Bis zum Jahr 2050 könnten schätzungsweise 216 Millionen Menschen zu Klimaflüchtlingen werden.

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Die Hitzewellen im Sommer 2022 haben in Europa den Tod von mehr als 61'000 Menschen verursacht. Insbesondere Frauen im Alter von mehr als 80 Jahren waren gemäss Forschern davon betroffen. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/DPA/SVEN HOPPE

Wir stehen vor einer geopolitischen und innenpolitischen Herausforderung von unvorstellbarem Ausmass, basierend auf den geschilderten Fakten. Das konstante Polarisieren schürt Spaltung, Empathie in diesen Zeiten ist ein rares Gut, und die zirkulierenden Fake-News erschweren es Politikerinnen und Politikern, evidenzbasierte Politik zu betreiben und zu ihren Wählerinnen und Wählern durchzudringen. Es gibt nur wenige Chancen für politische Kooperation, denn das dominante Motto lautet: polarisieren, anstatt zusammenzuarbeiten – denn man will die Wählerbasis nicht verlieren.

Wo ist die Effizienz und Strukturiertheit der SVP, wenn man sie braucht? Wo ist die ökonomische Einschätzung der FDP? Wo ist der solidarische Einsatz der SP für all die Benachteiligten der Klimakrise? Wo sind die christlich-demokratischen Werte und damit verbundene Handlungen der Mitte und EVP? Wo ist das Grün in Grünliberal? Wo sind all die parteilosen und neuen Bewegungen, die für unsere Rechte kämpfen?

Glauben Sie, dass Parteien zu sehr auf Stimmenfang fokussiert sind anstelle von eigentlicher Lösungsfindung?

Mein Wunsch für die Wahlen im Oktober ist, dass wir während der Wahlkampfperiode weniger Zeit auf der Strasse verbringen und um die Gunst der Wählerinnen und Wähler buhlen, sondern dass wir unsere Differenzen ablegen und in einem konstruktiven Diskurs langfristige Lösungen für die Klimakrise erarbeiten.

In meinen Augen sind dies die wahren Aufgaben einer Politikerin und eines Politikers: Leadership, Inklusion, Verständnis und Akzeptanz, Proaktivität und vorausschauendes Verhalten, damit wir langfristig nachhaltigen Wohlstand und Sicherheit schaffen können.

Das Unwetter in La Chaux-de-Fonds sollte uns allen als Weckruf dienen: Wir stehen vor einem Problem, das mit nur einer Perspektive nicht zu bewältigen ist – es braucht jeden Einzelnen von uns.

Zur Autorin: Antonia Durisch kandidiert für die Alternative – Die Grünen bei den Nationalratswahlen im kommenden Herbst. Ausserdem ist sie aktuell Mitglied der Finanzkommission der Gemeinde Unterägeri.

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