Wie die Stadt Wil mitteilt, wurde das Wandbild von 1543, welches im Hof zu Wil bei Bauarbeiten im April 2023 zufällig gefunden wurde, nun komplett aufgedeckt.
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Ein Wandbild von 1543 wurde in Wil aufgedeckt. - Hof zu Wil
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Im April 2023 ist im Hof zu Wil im Vorfeld der dritten Bauetappe hinter einer Vormauerung im sogenannten «Blauen Zimmer» der erste Teil eines Wandbilds von 1543 aufgedeckt worden.

Nun ist die Freilegung der zweiten Wandhälfte erfolgt.

Scheinarchitektur lässt Blick in imaginäre Welt zu

Zur bereits offenliegenden ersten Szene mit drei Personen erschliesst sich nun die gesamte Wandfläche.

Die reiche Gestaltung besteht aus einer illusionistischen Raumausmalung mit zwei biblischen Szenen in Grisaille-Technik, betont mit farbigen Akzenten.

Die zeittypische, perspektivisch ausgeführte Scheinarchitektur aus Arkadenbögen lässt den Blick in eine imaginäre Weite zu.

Die Architekturelemente sind üppig mit Blumengirlanden und Arabesken geschmückt.

Ikonografisches Geheimnis von Fisch und Bienenwabe ist gelüftet

Besonders typisch für die Zeit sind die drei darin integrierten Delfindarstellungen, welche die religiöse Thematik des Bildes noch unterstreichen.

In der Zwischenzeit konnte das ikonografische Programm der ersten Szene gelüftet werden.

Die Attribute von Fisch und Bienenwabe verweisen auf die Bibelstelle im Lukasevangelium in der Erzählung «Jesus erscheint seinen Jüngern» (Kapitel 24, Vers 42).

Dort kann man in der Biblia Sacra Vulgata – in der für das 16. Jahrhundert bekannten Textgrundlage – lesen, dass Christus ein gebratener Fisch und eine Bienenwabe gereicht werden.

Der Künstler verbindet mehrere Geschichten miteinander

Interessant beim Wandbild ist, dass der Künstler mehrere Geschichten miteinander verbindet.

Einerseits dürfte er mit den drei stehenden Personen die vorangehende Erzählung des Gangs nach Emmaus andeuten.

Andererseits bezieht er sich mit den beiden Attributen auf die darauffolgende Erscheinung in Jerusalem.

Der neu aufgedeckte Bildteil zeigt den ungläubigen Thomas

Der zweite, neu aufgedeckte Bildteil führt die Ereignisreihe weiter. Hier ist die bekannte Szene mit dem ungläubigen Thomas dargestellt.

Er legt aus Unglauben über die Auferstehung seine Finger in die Wundmale von Christus, um sich zu vergewissern, dass er ihn leibhaftig vor sich hat.

Nach dem Umbau des Raumes und der Überdeckung der Wandflächen, vermutlich bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts, wurde eine Fensteröffnung in die Wand gesägt und dadurch ein Teil des Bildes zerstört.

Es bleibt trotz der Grossartigkeit des Fundes also heute ein kleiner Wehmutstropfen, dass die Figur des Thomas zur Hälfte verloren ging.

Aussergewöhnliches Zeugnis für die Renaissancemalerei in der Nordostschweiz

Wie die gesamte Raumgestaltung im 16. Jahrhundert aussah, ob und wie der Bilderzyklus weiterging, lässt sich heute nur noch vermuten. Zumindest deutet die vom Eckständer angeschnittene Arkade darauf hin, dass die Arkadenreihe vielleicht um die Ecke weitergeführt wurde.

Einige Fragen bleiben weiterhin offen – gerade auch zur Urheberschaft des Wandbildes.

Zumindest was das Bauliche anbelangt, wird man in diesem Raum keine weiteren zum Bild gehörenden Bestandteile mehr finden, da die Seitenwände jüngeren Datums sind.

Der Fund bleibt ein aussergewöhnliches und sehr gut erhaltenes Zeugnis für das Leben und Wirken der Fürstäbte in Wil und für die Renaissancemalerei in der Nordostschweiz.

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