Wie konnte der sexuelle Missbrauch eines Pflegers in Langnau ZH jahrelang unentdeckt bleiben? Expertinnen sprechen von institutionellem Versagen.
verschlossene tür
Hinter geschlossenen Türen passierten die sexuellen Übergriffe – trotzdem hätten diese früher entdeckt werden müssen. (Symbolbild) - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Pfleger nutzte in Langnau ZH Patienten jahrelang sexuell aus.
  • Trotz seltsamen Anzeichen blieben seine Taten über lange Zeit ungesehen.
  • Zwei Expertinnen sehen den Fehler bei der Institution.

Es geschieht hinter geschlossenen Türen, während des Duschens – und doch unter den Augen des Pflegeheims: Ein Pfleger missbraucht über Jahre die Patienten der Stiftung Tanne in Langnau ZH, bis er auf frischer Tat ertappt wird. Wie konnte es dazu kommen, dass eine solche wiederholte Gräueltat jahrelang unbemerkt bleibt?

Die Stiftung Tanne ist auf taubblinde Menschen spezialisiert. Der Pfleger schien immer schon einen speziellen Draht zu den Patientinnen und Patienten gehabt zu haben. Sein Chef nannte ihn auch den «Behindertenflüsterer», berichtet die «NZZ». Durch seine hoch angesehene Position im Kollegium getraute sich der Rest des Pflegepersonals vermutlich nicht, ihn zu kritisieren.

So wurden selbst die seltsamsten Anzeichen weggesteckt. Der Täter bot Patienten zum Beispiel «besondere Duscherlebnisse» an oder schloss Türen, die eigentlich geöffnet bleiben sollten. 2018 öffnete ein Praktikant eine dieser verschlossenen Türen. Der Pfleger flog auf – er stand mit der Badehose in den Knien und mit Erektion vor einem Patienten.

Der Täter wurde 2021 zu 14 Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem darf der Pfleger für 10 Jahre nicht mehr in seinem Beruf arbeiten.

Institutionelles Versagen

Zwei Expertinnen der Hochschule Luzern wurden damit beauftragt, herauszufinden, wie die Taten des beliebten Pflegers so lange geheim bleiben konnten. Die «NZZ» hatte Einblick in die Untersuchung. Die beiden Professorinnen sprechen von institutionellem Versagen. Denn die Stiftung Tanne sei nicht genügend für den Schutz ihrer Patientinnen und Patienten eingestanden.

Mit seiner zuvorkommenden und aufgestellten Art habe der Pfleger das Vertrauen des Personals, der Angehörigen sowie der Patienten selbst gewinnen können. Laut den Expertinnen würden Sexualstraftaten oftmals so beginnen. Es könne sein, dass die Stiftung ihre Verantwortung herunterspiele.

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