Stäfa informiert über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen im Rahmen des 2017 in Kraft gesetzten Bundesgesetzes.
Stäfa ZH
Die Zürcher Goldküsten-Gemeinde Stäfa ZH von oben. - staefa.ch
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Im Rahmen fürsorgerisch begründeter Zwangsmassnahmen entzogen Behörden schweizweit bis 1981 vielen Personen ohne vorangegangene Straftat die Freiheit. Die betroffenen Menschen wurden als Verdingkinder fremdplatziert oder ohne Gerichtsprozess in Anstalten eingesperrt.

Viele Betroffene wurden in ihrer körperlichen, geistigen, psychischen oder sexuellen Unversehrtheit beeinträchtigt, teilweise gar irreparabel.

Bundesgesetz über die Aufarbeitung

Im Rahmen des 2017 in Kraft gesetzten Bundesgesetzes über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen wurden die Archive mit den entsprechenden Akten geöffnet. Sie sind damit sowohl für Betroffene und ihre Angehörigen als auch für die historische Forschung zugänglich.

Geschädigte haben Anspruch auf finanzielle Wiedergutmachung mittels eines Solidaritätsbeitrags. In der Gemeinde Stäfa bestanden neben der grösseren Institution in Redlikon viele kleinere, teilweise private Heime.

Diese erhielten Zuweisungen auch durch Beschlüsse oder Mitwirkung des Stäfner Gemeinderats oder dessen Armen- bzw. Vormundschaftsbehörde. Dies begründet, weshalb es die Gemeinde neben der gesetzlich gebotenen Mitwirkung im Rahmen des Bundesgesetzes als ihre Verantwortung betrachtet, den Themenbereich mit dem Fokus auf Stäfa genauer aufzuarbeiten.

Historiker beauftragt

Dabei kann es nicht darum gehen, persönliche oder kollektive Schuld an den Pranger zu stellen. Vielmehr geht es um die Anerkennung widerrechtlicher Praktiken, die auch in Stäfa stattfanden.

Es ist ein kleiner Beitrag zur Aufarbeitung der schwerwiegenden persönlichen und gesellschaftlichen Folgen dieser Zwangsmassnahmen. Der Gemeinderat Stäfa hat den Historiker David Kobelt als ausgewiesenen Experten beauftragt, im Rahmen einer Vorstudie die Anstaltslandschaft auf kommunaler Ebene darzustellen und gegebenenfalls weitere Massnahmen zu empfehlen.

Die Stäfner Tradition

Gemeindepräsident Christian Haltner ordnet diesen Entscheid ins historische Selbstverständnis der Gemeinde Stäfa ein: «Die Stäfner Bevölkerung hat eine lange Freiheitstradition. Diese äusserte sich ganz besonders beim Stäfner Handel 1795, als die Stäfner an vorderster Front für die Freiheit der Landbevölkerung kämpften und dabei nicht nur die Freiheit, sondern ihr Leben riskierten.

Sie wirkten massgebend darauf hin, dass die Landschaft 1831 rechtlich der Stadt gleichgestellt wurde. Wie alles Menschliche ist unsere Demokratie nicht perfekt, aber sie entwickelt sich weiter, wenn Fehler erkannt werden. Deshalb entspricht es unserer Stäfner Tradition, die Fehler der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen nicht nur zu erkennen, sondern sie auch aufzuarbeiten.»

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