Flurina Rigling startet an der WM in Schottland als Titelverteidigerin und Weltrekordhalterin auf der Bahn. Doch auch auf der Strasse ist mit ihr zu rechnen.
Flurina Rigling Bahnrad
Flurina Rigling tritt bei der Para-Bahnrad-WM als Titelverteidigerin an. EPA/ADAM VAUGHAN - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Am heutigen Donnerstag startet die Rad-WM 2023 in Glasgow.
  • Als aktuelle Bahn-Weltmeisterin ist auch die Para-Sportlerin Flurina Rigling dabei.
  • Auch auf der Strasse konnte Rigling schon Erfolge feiern, wird auch in Glasgow antreten.
  • Neben der Rad-Karriere macht sie ihren Master-Abschluss in Politikwissenschaften.

Flurina Rigling sitzt neben der Bahn im Velodrome von Grenchen. Sie hat eine weitere Trainingseinheit hinter sich gebracht, überhaupt hat die Zürcherin in den letzten Wochen intensiv trainiert. Schliesslich steht für die 26-Jährige die WM in Schottland an, wo sie zuerst auf der Bahn und ab 9. August auf der Strasse um Medaillen fahren wird.

Es ist ein anspruchsvoller Spagat, dieser Wechsel von der Bahn auf die Strasse, das ist der Athletin bewusst. Aber Rigling versichert, sie habe sich zusammen mit ihrem Trainerteam einige Kniffe überlegt, wie die Umstellung möglichst problemlos gelingen soll.

Rad-WM Zeitplan
Der offizielle Zeitplan der Rad-WM 2023 in Glasgow. - https://www.cyclingworldchamps.com/schedule/

Verraten würde sie diese freilich nicht. Die Konkurrentinnen sollen ihr nicht über Umwege in die Karten blicken können und dann ihr mögliches Erfolgsrezept 'abkupfern'. «Die grösste Herausforderung wird die Erholung zwischen den Wettkämpfen», sagt sie.

Doppelter Weltrekord auf der Bahn

Rigling und Weltmeisterschaften – im letzten Jahr war dies eine äusserst erfolgreiche Kombination. An der Bahn-WM in Montigny-le-Bretonneux in Frankreich heimste die Schweizerin insgesamt vier Medaillen ein.

Neben Bronze im Sprint und Silber im Scratch und Omnium krönte sich Rigling in der Einzelverfolgung zur Weltmeisterin. Dabei stellte sie über die 3000 m zweimal einen Weltrekord auf und senkte die Bestmarke auf 4:00,228 Minuten.

Auch auf der Strasse ein Ass

Doch auch auf der Strasse wusste Rigling zu überzeugen. So wurde sie an der WM in Baie-Comeau in Kanada Zweite im Zeitfahren und Dritte im Strassenrennen. In Österreich kamen an der EM eine Goldmedaille auf der Strasse und eine silberne Auszeichnung im Zeitfahren hinzu. Es sind Erfolge, die Rigling automatisch auch in Schottland in den Kreis der Favoritinnen hieven.

Die gebürtige Hedingerin ist jedoch bestrebt, vergangene Erfolge nicht an sich herankommen zu lassen. «Was mir letztes Jahr gelungen ist, macht mich mega stolz, aber es hilft mir jetzt nicht», sagt sie.

Rigling investiert in Mentaltraining

«Meinen WM-Titel kann mir niemand nehmen», sagt Rigling. «Aber wenn ich ihn nicht gewonnen hätte, würde ich in Glasgow ebenso am Start stehen.» Solche Sätze zeigen: Flurina Rigling trainiert nicht nur auf dem Velo, sie investiert auch in den mentalen Bereich.

Sie tauscht sich regelmässig mit einer Sportpsychologin aus, die ihr hilft, Erlebtes einzuordnen oder sich optimal auf einen Wettkampf vorzubereiten. «Es ist schon sehr viel passiert», sagt Rigling. «Ich versuche, alles aufzusaugen, weil es überhaupt nicht selbstverständlich ist.»

Schnell mit dem «Rad-Virus» infiziert

Wer mit ihr spricht, könnte den Eindruck erhalten, Flurina Rigling würde sich schon sehr lange als Spitzensportlerin im Rad-Zirkus bewegen. Die Zürcherin hat jedoch erst 2019 begonnen, in diesem Umfang zu trainieren. Im Durchschnitt muss Flurina Rigling 20 Stunden pro Woche investieren.

Daniel Hirs Flurina Rigling
Nationaltrainer Daniel Hirs (l.) brachte Flurina Rigling zum Radsport. - Instagram / @flurina_rigling

Nationaltrainer Daniel Hirs stand einmal mit einem Velo vor ihrer Haustür. Wenig später war sie mit dem Rad-Virus infiziert. Zuvor war Rigling, die eigentlich aus einer Ruder-Familie stammt, länger auf der Suche nach der für sie idealen Sportart.

«Stärken ausspielen, statt Schwächen zu kompensieren»

Flurina Rigling fehlen an Händen und Füssen je vier Finger und Zehen. Zudem kann sie ihre Wadenmuskulatur nicht einsetzen. Deshalb sind nicht alle Sportarten gleich gut geeignet für ihre Voraussetzungen. Im Schulsport versuchte sie, wenn immer möglich mitzumachen, zudem schwamm sie regelmässig und versuchte sich als Läuferin.

Dieser polysportive Hintergrund helfe ihr nun auch als Radfahrerin, sagt Rigling. Ihr Bahn- oder Strassen-Velo möchte sie nicht mehr gegen etwas anderes eintauschen. «Im Radsport kann ich meine Stärken ausspielen und muss nicht immer versuchen, meine Schwächen zu kompensieren.»

Verfolgen Sie die Rad-WM in Glasgow?

Mit ihrem Touren-Velo schon ist sie schon durch die ganze Schweiz gefahren und hat zahlreiche Pässe bezwungen. Im Moment fehlt zwar die Zeit für solche «Touristenfahrten», wie Rigling sie nennt. Aber wenn die Wettkampfsaison vorbei ist, wird sie vielleicht wieder einmal in ihrer liebsten Gegend im Engadin unterwegs sein.

Flurina Rigling: Tüftlerin, Politik-Master, Weltmeisterin

Wobei auch neben Bahn und Strasse einige Projekte am Laufen sind, die ihre Zeit beanspruchen. Für ihr Masterstudium in Politikwissenschaften schreibt sie ihre Abschlussarbeit, und immer wieder tüftelt sie am Material.

Flurina Rigling
Neben der Rad-Karriere macht Flurina Rigling auch noch ihren Master in Politikwissenschaften. - Instagram / @flurina_rigling

Ein Student der ETH Zürich entwickelte mit ihr einen speziellen Lenker für ihr Strassen-Velo. Dieser ermöglicht es ihr, ihre Hand optimal zu positionieren und mit genügend Halt auf dem Rad zu sitzen. Der Lenker soll im Herbst optimiert, leichter und aerodynamischer werden. Zudem wäre das Ziel, diesen angepassten Lenker irgendwann auch am Bahn-Velo verwenden zu können.

Fernziel Paralympics 2024

Es gebe immer Baustellen, die optimiert werden könnten, sagt Rigling, und sie versuche, sich jedes Jahr zu verbessern. Für die Konkurrenz sind das keine guten Nachrichten – auch im Hinblick auf die Paralympics 2024 nicht. Dabei könnte Rigling im Falle einer Selektion auf ihre Weltrekordbahn zurückkehren.

Doch Flurina Rigling würde ihre Gedanken nie in derlei Richtung schweifen lassen und mit Erwartungen zu sehr Druck aufsetzen. Sie sagt, was sie vor jedem Wettkampf sagt: «Ich will einfach meine Leistung abrufen. Alles andere liegt eh nicht in meiner Hand.»

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