Der Grosse Rat Aargau wird am 29. August über die berufliche Vorsorge beraten. Das Leistungsniveau soll durch verschiedene Massnahmen aufgefangen werden.
andreas fischer bargetzi
Andreas Fischer Bargetzi, Grossrat Kanton Aargau (Grüne). - zVg
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die steigende Lebenserwartung sowie unruhige Kapitalmärkte belasten die Pensionskassen.
  • Die Aargauer Regierung nahm eine umfassende Auslegeordnung der beruflichen Vorsorge vor.
  • Es wurden drei Abfederungsmassnahmen infolge der Senkung des Umwandlungssatzes vorgesehen.

Sowohl die längere Lebenserwartung als auch die instabilen Kapitalmärkte haben negative Auswirkungen auf die Pensionskassen – auch auf die Aargauische Pensionskasse (APK) der Aargauer Staatsangestellten. Während bis zum Jahr 2018 eine Person in Rente rund 65 Prozent des früheren Lohnes erhielt (Pensionskasse und AHV), droht für das Jahr 2024 eine Senkung auf 55 Prozent.

Damit werde das aus der Bundesverfassung abgeleitete Vorsorgeziel von 60 Prozent aus der ersten Säule (AHV) und der zweiten Säule (Pensionskasse) im Durchschnitt nicht mehr erreicht, hält der Regierungsrat fest. Deshalb schlägt er ein Massnahmen-Paket vor. Ziel ist, weitere Senkung der Rentenhöhe zu verhindern, und dass die 60 Prozent erhalten bleiben.

Grüne: Kanton Aargau soll angemessenen Beitrag leisten

Am 29. August wird der Grosse Rat unter anderem auch über das Pensionskassendekret beraten. Nau.ch hat sich mit den Grünen Aargau über die Ziele des Regierungsrats unterhalten. Auch die SVP hat eine Stellungnahme zu diesem Thema gegenüber Nau.ch bezogen.

Für Andreas Fischer Bargetzi (Grüne) ist das wichtigste Ziel der Vorlage die langfristige Sicherung der Renten für die bei der Aargauischen Pensionskasse (APK) versicherten Arbeitnehmer. Die Grünen setzen sich dafür ein, dass dies möglichst wenig auf dem Buckel der Arbeitnehmer geschieht.

Vielmehr soll der Kanton Aargau als Arbeitgeber auch einen angemessenen Beitrag leisten. Jegliche von der bürgerlichen Seite eingebrachte Verschlechterung zulasten der Arbeitnehmer lehnen die Grünen deshalb entschieden ab.

Nau.ch: Das planmässige Leistungsniveau der Aargauischen Pensionskasse fällt ab dem Jahr 2024 auf nur noch 55 %. Bis zum Jahr 2018 betrug dieses noch 65 %. Kommt das Massnahmen-Paket der «Sicherung beruflicher Vorsorge» des Regierungsrats zu spät?

Andreas Fischer Bargetzi: Über den richtigen Zeitpunkt einer Gesetzesänderung lässt sich immer streiten. Kommt der Vorschlag zu früh, ist der Leidensdruck vielleicht noch nicht gross genug und die Änderungen werden abgelehnt.

Tatsache ist, dass die Verselbständigung und Ausfinanzierung der APK im Jahr 2008 zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt erfolgte. Im Nachgang der weltweiten Finanzkrise konnte die APK nicht im erforderlichen Umfang Reserven aufbauen. Der jetzige Schritt ist nötig, kommt vielleicht etwas spät, aber noch früh genug, bevor die APK in Schieflage gerät.

Nau.ch: Mit der Änderung des Pensionskassendekrets soll ein Leistungsziel von 60 % des versicherten Lohns erreicht werden. Ist ein Leistungsziel von 65 % nun ausgeschlossen?

Andreas Fischer Bargetzi: Die 60 % Leistungsziel aus der ersten und der zweiten Säule sind ein schweizweit mehr oder weniger gleich gehandhabter Standard. Natürlich wäre es für die Versicherten schön, nach der Pensionierung einen höheren Ansatz zur Verfügung zu haben, aber angesichts des Umfelds mit gestiegener Lebenserwartung ist dies wohl schwierig zu erreichen.

Für uns stellt sich eher die Frage, in welchem Verhältnis die erste und die zweite Säule zu diesem Leistungsziel beitragen. Die Grünen setzen sich für eine Stärkung der AHV (1. Säule) ein, da dies vor allem ärmeren Bevölkerungsschichten zugutekäme. Dies ist aber nicht Teil der Vorlage und müsste auf Bundesebene geändert werden.

Nau.ch: Eine der Massnahmen ist auch die Reduktion des Koordinationsabzugs. Wie wirkt sich diese Anpassung auf die Löhne der Arbeitnehmenden aus?

Andreas Fischer Bargetzi: Die Senkung des Koordinationsabzuges hat zur Folge, dass Leute mit geringem Lohn (untere Lohnklassen/Teilzeitbeschäftigte mit kleinen Pensen oder mehreren Arbeitgeber:innen; sehr häufig Frauen) neu Beiträge an die Pensionskasse entrichten müssen. Dies führt dazu, dass sie weniger Nettolohn erhalten.

Andererseits profitieren diese Leute nach der Pensionierung von dieser Massnahme, da sie dann eine höhere Rente erhalten, die nicht nur aus ihren angesparten Beiträgen, sondern auch aus den Beiträgen des Arbeitgebers besteht. Insgesamt also eine gute Massnahme, allerdings sollte die Reduktion des Nettolohns meiner Ansicht nach bei unteren Lohnklassen in den kommenden Jahren durch entsprechende Lohnerhöhungen ausgeglichen werden.

Nau.ch: Kann der Kanton mit Reduzierung des Nettolohns ein konkurrenzfähiger Arbeitgeber bleiben?

Andreas Fischer Bargetzi: Die Frage ist meines Erachtens falsch gestellt. Der Nettolohn wird durch die Vorlage bei einzelnen Angestellten sinken, aber das Geld geht ja nicht flöten, sondern wird als Guthaben bei der Pensionskasse gutgeschrieben, was nach der Pensionierung zu einer höheren Rente führt. Bei der Wahl des Arbeitgebers spielt oft auch die Leistung der entsprechenden Pensionskasse eine wichtige Rolle.

Allerdings: Der Kanton Aargau ist in den vergangenen Jahren aufgrund von zu tiefen Lohnerhöhungen in vielen Bereichen gegenüber anderen Kantonen und der Privatwirtschaft in Rückstand geraten. Dies gilt es in den Lohnrunden der kommenden Jahre zu korrigieren (siehe auch Antwort zu Frage drei).

Nau.ch: Um das planmässige Leistungsniveau von 60 % zu erreichen, soll eine Einmaleinlage für Versicherte im Alter 50+ geleistet werden. Weshalb ist die Massnahme bei dieser Altersgrenze wichtig?

Andreas Fischer Bargetzi: Durch die Senkung des Umwandlungssatzes wäre es für ältere Arbeitnehmende nicht möglich, das Leistungsziel 60 % zu erreichen. Die verbleibenden Arbeitsjahre reichen nicht aus, um durch höhere Beiträge die entstandene Lücke zu schliessen. Deshalb ist die Einmaleinlage richtig und wichtig.

Die Grünen setzten sich im Rahmen der Beratungen des Geschäfts für eine Senkung dieser Altersgrenze und eine Erhöhung des Prozentsatzes ein. Dies wäre langjährigen, treuen Mitarbeitenden zugutegekommen. Leider fanden wir bislang keine Mehrheiten für eine solche Erhöhung der Einmaleinlage.

Zur Person

Andreas Fischer Bargetzi (*1977) ist seit 2014 Grossrat der Grünen im Kanton Aargau. Er arbeitet als Archäologe bei der Archäologie Baselland. Der Vater von drei Kindern lebt mit seiner Familie in Möhlin, wo er sich in seiner Freizeit unter anderem auch als Volleyballtrainer betätigt.

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