Für manche Unternehmen sind die gestiegenen Zinsen existenzbedrohend. Diese sogenannten Zombie-Firmen seien eine Gefahr für die Weltwirtschaft, meinen Experten.
Zombiefirmen
Die Zahl der Firmenpleiten ist weltweit deutlich angestiegen. Betroffen waren vor allem sogenannte Zombie-Firmen. (Symbolbild) - sda - KEYSTONE/EPA/HAYOUNG JEON

«Die Rückkehr der Zombies», «Walking Dead am Finanzmarkt» – was nach schlechten Horrorfilmen klingt, sind in Wahrheit Studien und Artikel über Unternehmen, die in Zahlungsnot stecken und kaum mehr zu ihrem normalen Geschäft fähig sind.

Besonders verbreitet hat sich der Begriff während der Corona-Pandemie, als viele Firmen ihr Geschäft pausieren mussten und nur dank Staatshilfen weiter existieren konnten.

Oft wird ein Unternehmen als Zombie definiert, wenn es eine Zinsdeckungsquote (interest coverage ratio, ICR) von weniger als 1 für drei aufeinander folgende Jahre aufweist. Oder kurz: Der Gewinn aus dem laufenden Betrieb reicht nicht aus, um die nötigen Zinszahlungen zu decken.

Schulden müssen immer wieder refinanziert werden. Und genau das kann zu Zeiten steigender oder höherer Zinsen zum Problem werden. Vor allem wenn die Notenbanken nicht so schnell mit den Zinssenkungen starten wie erhofft. Erst vergangene Woche verschreckte der regionale Notenbankpräsident von Minneapolis, Neel Kashkari, die Märkte mit seiner Einschätzung, dass in den USA dieses Jahr möglicherweise keine Zinssenkung nötig sei.

Kleinere Firmen in Privatbesitz betroffen

Auch die Inflationsdaten bringen eher Zweifel an frühen Senkungen. Für Firmen, deren Refinanzierung im Sommer ansteht, sind das keine besonders rosigen Aussichten.

Betroffen vom Zombie-Status sind derzeit zwar überwiegend kleinere Firmen in Privatbesitz. Allerdings führte die Westschweizer Bank Mirabaud jüngst in einer Analyse aus, dass beispielsweise auch fast 13 Prozent der S&P-1500-Unternehmen als «lebende Tote» klassifiziert werden könnten. In der Schweiz zeigen jüngste Daten des BFS, dass die Konkurse weiter steigen. 2023 gingen fast 15'500 Firmen pleite – ein Rekord. Und erstmals seit Beginn der Zeitreihe 2008 legten die Insolvenzen in drei aufeinanderfolgenden Jahren zu.

Konkurs
Was in klassischen Horrorfilmen der Pflock ist, ist für Zombie-Unternehmen ein Anstieg der Zinsen. Denn das kann eine Reihe von Problemen auslösen und in den Konkurs führen. (Symbolbild) - sda - KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Die Zunahme von Zombie-Unternehmen ist ein Problem: Es belohne die unproduktiven und belaste die produktiven Firmen, heisst es in der Mirabaud-Studie. Denn Unternehmen mit niedrigeren Renditen bekämen ihre Schulden immer wieder refinanziert, da Banken ihre Kreditausfallraten nicht erhöhen wollten. Dadurch fehlten die Ressourcen, und Wachstumsunternehmen mit hoher Produktivität erhielten nur schwer Zugang zu Krediten.

Auch die OECD hat in Studien gezeigt, dass der Anstieg von Zombie-Unternehmen mit schwachem Produktivitätswachstum verknüpft ist. Entsprechend sei es für Volkswirtschaften von Nachteil, solche Unternehmen am Leben zu erhalten. Die Schwäche einiger Länder nach der Covid-19-Pandemie könne zumindest teilweise damit erklärt werden, dass einige chronisch schwache Unternehmen den Markt immer noch nicht verlassen hätten.

Was in klassischen Horrorfilmen der Pflock ist, ist für Zombie-Unternehmen ein Anstieg der Zinsen. Denn das kann eine Reihe von Problemen auslösen, führt Mirabaud aus. Zunächst sinkt mit höheren Zinsen die allgemeine Nachfrage in einer Volkswirtschaft, was bei den Unternehmen zu tieferen Einnahmen und weniger Cash für die Bedienung der Schulden führt.

Höhere Zinsen treiben mehr Zombies in den Konkurs

Hinzu kommen die schwierigeren und teureren Finanzierungsbedingungen. Unternehmen, die ihre Zinslast schon bei tiefen Zinsen nicht decken können, geraten nun noch weiter in Verzug. Zudem haben Banken weniger Anreize, an Zombies Geld zu verleihen, da es bessere und sicherere Alternativen gibt. Entsprechend treiben höhere Zinsen mehr Zombies in den Konkurs und drängen mehr gesunde Unternehmen in den Zombie-Status. Das kann zu einem schwindenden Vertrauen in die Kapitalmärkte führen, ein Domino-Effekt beginnt.

VP Bank-Chefökonom Thomas Gitzel sieht die Risiken ebenfalls. Allerdings stehe uns wohl aktuell keine grosse Bankrottwelle bevor, meint er. Denn auch wenn die US-Notenbank Fed oder die EZB ihre Zinsen nicht so schnell senken wie erhofft, gebe es erst 2026 beispielsweise in den USA eine grosse Refinanzierungswelle.

«In der Schweiz sind die Zinsen ohnehin nicht deutlich gestiegen. Zudem zeigt eine Studie des Internationalen Währungsfonds IWF, dass beispielsweise Deutschland und die Schweiz mit die geringste Dichte an Zombie-Firmen aufweisen – sowohl bei privaten als auch gelisteten Unternehmen», so Gitzel.

Mirabaud geht noch einen Schritt weiter, denn auch Staaten könnten durchaus als Zombies bezeichnet werden. Nämlich wenn sie nicht in der Lage seien, ihre Haushalte auszugleichen oder leichter Schulden aufzunehmen, um ihre Wirtschaftspolitik zu finanzieren. Genau wie ein Unternehmen vergeude der Staat damit Ressourcen, die eigentlich für produktive Zwecke verwendet werden könnten. Zu beobachten sei dies in einigen europäischen Ländern, die kein Wachstum verzeichneten.

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