Thomas Cook ist pleite. Laut der Expertin sind auch andere Reiseveranstalter nicht gefeit davor. Im Markt wehe eine «steife Brise».
Insolvenz Thomas Cook
Der Service-Schalter des insolventen britischen Reisekonzerns Thomas Cook am Flughafen Berlin-Tegel ist geschlossen. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der weltweit zweitgrösste Reiseveranstalter Thomas Cook ist pleite.
  • Rund 600'000 Touristen sind betroffen.
  • Die Tourismusexpertin ordnet ein.

Es half nichts mehr. Thomas Cook, der älteste Reisekonzern der Welt, musste am Montagmorgen Insolvenz anmelden. 22'000 Mitarbeiter in 16 Ländern bangen um ihren Job, 600'000 Reisende um ihre Rückreise.

Monika Bandi Tanner ist Co-Leiterin der Forschungsstelle Tourismus (CRED-T) an der Universität Bern.

Nau.ch: Sind Sie von der Insolvenz von Thomas Cook überrascht?

Monika Bandi Tanner: Ja und nein. Überrascht ja, weil Thomas Cook ein «Urgestein» im Markt ist. Der Name ist ein Wertversprechen und gilt als Erfinder der Pauschalreisen. Überrascht nein, weil alleine in der Schweiz die Anzahl Reisebüros in den letzten 15 Jahren von 3'700 auf 1'650 zurückging. Das zeigten die Erhebungen des Schweizer Reisebüroverbandes.

Nau.ch: Was hat Thomas Cook Ihrer Meinung nach falsch gemacht?

Monika Bandi Tanner: Das ist schwierig abzuschätzen. Es sind vermutlich verschiedene Faktoren, die zum Untergang geführt haben. Die Digitalisierung einerseits führt zu mehr Konkurrenz und vereinfachten, direkten Buchungswegen für Reisende. Das Potential für Reisebürodienstleistungen schrumpft und wird auf mehrere Player aufgeteilt.

Weiter schürten die Turbulenzen rund um den Brexit im wichtigen britischen Markt wirtschaftliche Unsicherheiten in der Bevölkerung. Schliesslich gab es einen Währungseffekt. Der Wertverlust des Pfund kann Reiseaktivitäten hemmen.

Monika Bandi
Monika Bandi leitet die Forschungsstelle Tourismus an der Uni Bern. - zVg

Nau.ch: Welchen Einfluss hatte das Aufkommen und die Dominanz der Billigflieger auf die Insolvenz?

Monika Bandi Tanner: Den Einfluss schätze ich soweit als bedeutend ein, als dass Kunden alles selber direkt beim Leistungsträger mit den digitalen Hilfsmitteln buchen können und so weniger auf die Dienstleistung von Reisebüros angewiesen sind.

Nau.ch: Sehen Sie ähnliche Konzerne wie etwa Tui, welche bald in eine ähnliche Lage kommen könnten?

Monika Bandi Tanner: Grundsätzlich ist kaum ein Unternehmen davor gefeit. Alle Player sind gefordert. Man kann hoffen und davon ausgehen, dass weitere grosse Player genug früh agieren und sich weiterentwickeln. Die steife Brise auf dem Markt mit mehr Konkurrenz, emanzipierter Kunden, einfacheren Buchungswegen und Turbulenzen bei der wirtschaftlichen Entwicklung oder Währungsabschwächung ist für alle gleich.

Es befindet sich kaum ein Anbieter im sicheren Hafen. Für Reiseveranstalter braucht es Geschäftsmodelle, die für den Kunden einen Mehrwert genieren, um die Zahlungsbereitschaft der zukünftigen Kunden hoch zu halten.

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