Nächster SNB-Zinsschritt gilt als gesetzt
Die kommende Lagebeurteilung der Schweizerischen Nationalbank vom Donnerstag wird die letzte des scheidenden Präsidenten Thomas Jordan sein. Dass er die Zinsen nochmals senken wird, gilt als ausgemachte Sache.
Offen ist dagegen die Frage, wie stark die Zinsen fallen werden. Eine Mehrheit erwartet aktuell eine Senkung um 25 Basispunkte auf 1,00 Prozent. Ein «Überraschungs-Coup» um 50 Basispunkte gilt aber nicht als ausgeschlossen. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Schweizer Währungshüter die Märkte überraschen.
Von den 18 von der Nachrichtenagentur AWP befragten Prognostikern geht aktuell zwar nur einer konkret davon aus, dass die SNB am kommenden Donnerstag den Leitzins in einem grossen Schnitt um 50 Basispunkte auf 0,75 Prozent senken wird. Es gibt aber zahlreiche Ökonomen, die der Möglichkeit einer so grossen Senkung eine wachsende Wahrscheinlichkeit beimessen.
Überraschende Zinswende der US-Notenbank
Dies liege nicht zuletzt an der US-Notenbank, die die Märkte am vergangenen Mittwoch damit überrascht hatte und die Zinswende mit einem grossen Schnitt um 50 Basispunkte eingeläutet hatte. Wie es in ersten Kommentaren hiess, greifen Notenbanken normalerweise nur in Krisenzeiten zu solch grossen Schritten.
Daher erwarten denn auch 10 der von AWP befragten Marktexperten, dass die Schweizer Währungshüter am Donnerstag eher einen kleineren Schnitt machen werden, dann aber einen weiteren im Dezember in der gleichen Grössenordnung folgen lassen werden.
Die Experten machen vor allem die wirtschaftlichen Probleme in wichtigen Exportmärkten wie Deutschland, der Eurozone und China als einen der Beweggründe für eine Zinssenkung am Donnerstag aus. Sie stellen klare Abwärtsrisiken für die Schweizer Wachstumsaussichten dar.
Zinswende als Reaktion auf Aufwärtsdruck
Daneben dürfte der Schweizer Franken den Direktoriumsmitgliedern zuletzt wieder Kopfschmerzen bereitet haben. Zur Erinnerung: Die SNB hat als eine der ersten grossen Notenbanken die Zinswende eingeläutet – knapp vor der EZB und weit vor dem Fed. Sie hatte dies auch getan, um dem Aufwärtsdruck beim Franken entgegenzuwirken.
Denn während der starke Franken in der Zeit der grassierenden Inflation eine Hilfe war, da er den Preisdruck aus dem Ausland abmilderte, war dies in Zeiten sinkender Inflationsraten nicht länger erwünscht – sondern vielmehr ein Hemmschuh für die hiesige Wirtschaft.
Im August war die Inflation in der Schweiz weiter gesunken. Mit noch 1,1 Prozent liegt sie in der Mitte es SNB-Zielbandes von 0 bis 2 Prozent.
Aufwertungsdruck beim Franken
Den zuletzt wieder gestiegenen Aufwertungsdruck beim Franken sehen nahezu alle Notenbank-Experten als grössten Treiber für eine Zinssenkung der SNB. «Durch eine Zinssenkung will die SNB die Zinsdifferenz gegenüber der Eurozone wieder vergrössern und den Franken somit abschwächen», sagt der Migrosbank-Ökonom Valentino Guggia.« Davon könnten die exportorientierten Branchen profitieren, die sich allerdings mit einer nicht nur wechselkursbedingt tiefen Auslandsnachfrage auseinandersetzen müssten.
Guggia gehört zu der Gruppe von Ökonomen, die das Ende des Zinssenkungszyklus mit der Senkung im September erwarten. Ein Leitzins von 1 Prozent liegt selbst gemäss der SNB bereits am unteren Rand des neutralen Bereiches. «Mit jeder Zinssenkung wird der Handlungsspielraum für allenfalls zusätzlich notwendige aufgrund schrumpfender Konjunktur kleiner», so der Experte weiter.
Denn anders als EZB und Fed ist das Zinssenkungspotenzial der SNB viel kleiner. Sollte sich das Wirtschaftswachstum in der Eurozone markant abschwächen, könnten die Währungshüter dort auf einen aggressiveren Zinspfad einschwenken, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Das Gleiche gilt für die USA. Andere Ökonomen können sich gleichwohl hierzulande weitere Zinssenkungen bis auf ein Niveau von 0,50 Prozent vorstellen.
SNB behält Instrument gegen starken Franken im Auge
Immerhin bleibt der SNB nach wie vor ein weiteres Instrument, um einem zu starken Franken entgegenzuwirken: Devisenmarktinterventionen. Dieses hat sie in der Vergangenheit immer wieder eingesetzt, um den Franken in die ein oder andere Richtung zu schubsen.
Für den Ökonomen Adrian Prettejohn von CapitalEconomics ist am Donnerstag daher auch wichtig, ob sich die SNB generell zur Bewertung des Frankens äussern wird. «Jegliche Äusserung, der Franken sei stark oder überbewertet, würde die Erwartung erhöhen, dass die SNB bereits an den Devisenmärkten interveniert oder intervenieren wird, um den Franken zu schwächen», so seine Einschätzung.
Für die hiesigen Beobachter wird zudem spannend sein, ob Direktoriums-Präsident Jordan selbst die Beweggründe der SNB erklären wird oder ob er dies bereits seinem designierten Nachfolger Martin Schlegel überlässt. Jordan leitet die Nationalbank seit April 2012. Schlegel gilt als der «Ziehsohn» von Jordan und war für viele Beobachter der logische Nachfolger.