In Tschechien werden die Arbeitskräfte knapp

Es gibt in Tschechien mehr freie Stellen als Bewerber. Noch nie seit mehr als 20 Jahren war es so leicht, Arbeit zu finden. Doch das ist nicht unbedingt gut.

Ein Arbeiter fertigt im Produktionswerk einen Einkaufswagen.
In Tschechien boomt die Wirtschaft – Es fehlt aber die Arbeitskraft. (Symbolbild) - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • In Tschechien herrscht die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 1997.
  • Zugleich fehlen Arbeitskräfte im Land. Das Wirtschaftswachstum könnte verlangsamt werden.

Bei den tschechischen Arbeitsämtern waren mit Stand November 215'000 Menschen als erwerbslos gemeldet – die niedrigste Zahl seit Juni 1997. Dem standen mehr als 323'000 freie Stellen gegenüber. Im Oktober hatte Tschechien mit 2,2 Prozent saisonbereinigt – wieder einmal – die niedrigste Arbeitslosenquote unter allen EU-Staaten.

Um die verbleibenden Arbeitskräfte liefern sich die Unternehmen einen harten Wettkampf. Viele Firmen ködern Mitarbeiter mit Zusatzangeboten, die in Tschechien «benefity» genannt werden. Der Motor für den Wirtschaftsboom ist schnell ausgemacht. Es ist neben der Chemie- und IT-Branche vor allem die Autoindustrie. Im vergangenen Jahr lief die Rekordzahl von mehr als 1,4 Millionen Pkw vom Band. Neben der VW-Tochter Skoda produzieren auch Hyundai und Toyota sowie die französische PSA-Gruppe in Tschechien. Ausserdem gibt es viele Kfz-Zulieferer.

Lage dramatisch

Bei aller Freude über die Quasi-Vollbeschäftigung – sie droht zu einer Bremse für die tschechische Wirtschaft zu werden. «Der Mangel an Arbeitskräften führt dazu, dass Firmen gezwungen sind, Aufträge abzulehnen», sagt Jan Vejmelek, Chefökonom der KB-Bank für Tschechien. Die Löhne würden steigen, die Produktivität nehme aber nicht im gleichen Mass zu. Und damit sinke langfristig die Konkurrenzfähigkeit der Betriebe.

Dass die Lage dramatisch ist, bestätigt auch Bernard Bauer von der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer. Die Situation habe sich im vergangenen Jahr für die deutschen Investoren noch einmal deutlich zugespitzt – trotz erheblicher Lohnsteigerungen und attraktiver Arbeitsbedingungen. «Wirtschaft lebt von dynamischem Wachstum – Kapazitäten nicht erweitern zu können, ist das Gegenteil davon», kritisiert Bauer.

Industrie 4.0

Michael Valasek, Professor an der Technischen Universität in Prag, verweist auf einen Ausweg: «Ich sehe ein grosses Potenzial für den Einsatz von Robotern und die Automatisierung in der tschechischen Industrie.» Valasek betreut einen eigenen Master-Studiengang mit dem Schwerpunkt «Industrie 4.0».

Doch der Professor nennt ein Problem: Die Investitionskosten für Roboter seien hoch, Arbeitskräfte aber immer noch vergleichsweise günstig. Der monatliche Bruttoverdienst liegt in Tschechien laut Statistikbehörde CSU im Schnitt bei knapp 1230 Euro (1400 Franken). Um die Lücken vor allem im Billiglohnsegment zu füllen, wirbt die Regierung Arbeitskräfte aus der Ukraine, der Mongolei und den Philippinen an.

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