Autofahrer demonstrieren gegen Fahrverbote, Lungenärzte verharmlosen Stickoxide. Wie konnte es so weit kommen? Eine Analyse.
Demonstration gegen Diesel-Fahrverbot
Demonstranten haben während einer Demonstration gegen das Diesel-Fahrverbot in Stuttgart am Neckartor Plakate gegen das Fahrverbot aufgehängt. Darauf steht «Keine Fahrverbote!» und «Diese Messstelle ist voll daneben!». Seit dem 1. Januar 2019 dürfen Diesel der Abgasnorm 4 und schlechter nicht mehr in der Stadt fahren. Für Anwohner gibt es eine Übergangsfrist bis zum 1. April. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • In Deutschland wurden mehrere Fahrverbote für Diesel-Autos angekündigt.
  • Autofahrer tragen die Konsequenzen für das Versagen von Industrie und Politik.

Ganz am Anfang war Volkswagen. Eine Nichtregierungsorganisation stellte per Zufall fest, dass VW-Diesler massiv mehr Stickoxide in die Luft blasen, als auf dem Papier angegeben. Die US-Umweltbehörde nahm den Ball auf und bestätigte mit einer eigenen Untersuchung den Sachverhalt.

Das war 2015. Der Dieselskandal nahm damit seinen Lauf. Plötzlich stellten Behörden und Automobilclubs fest: Auch bei anderen Diesel-Fahrzeugen werden die Stickoxid-Grenzwerte auf der Strasse überschritten, teils bis um Faktor 40.

Die Politik reagiert, vor allem im Autoland Deutschland. Fahrverbote für Diesel-Autos sind in mehreren Städten Realität. Und noch mehr dürften dazu kommen. Denn: Vielerorts werden die Stickoxid-Grenzwerte überschritten.

Autofahrer demonstrieren

Gegen die Fahrverbote gibt es Widerstand: Vergangenen Samstag zogen verärgerte Autofahrer in Stuttgart auf die Strasse. Zeitgemäss mit gelben Westen verkleidet.

Auch Journalisten betrachten die Fahrverbote neuerdings kritisch: Nicht nur die bürgerliche «Welt» oder «FAZ», sondern auch die gebührenfinanzierten Sender «ARD» und «ZDF».

ARD-Dokumentation über Fahrverbote in den Innenstädten.

Um den Fahrverbot-Befürwortern den Wind aus den Segeln zu nehmen, haben 100 der 4000 Lungenärzte Deutschlands eine Stellungnahme geschrieben. Sie glauben nicht, dass Stickoxide überhaupt schädlich sind. Dem widersprechen zwar Verbände von Lungenärzten und Epidemiologen aus dem In- und Ausland. Und dass die Autoren Verbindungen zur Autobranche haben, wird ausgeklammert. Egal, die Zweifel sind gesät.

Luftqualität ist besser als früher

Fakt ist: In Deutschland ist die Luftqualität in den letzten Jahren besser geworden. Obwohl Selbstzünder dreckiger sind als erlaubt. Unbestritten auch: Die Stickoxid-Grenzwerte werden trotzdem überschritten, wie Zahlen des Umweltbundesamts beweisen (hier klicken).

Allerdings sind die Grenzwerte umstritten. In Deutschland sind in der Luft 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter gestattet, in den USA hingegen 103 Mikrogramm. Deutschland sei zu streng, glauben manche.

Schafft Deutschland die eigene Autoindustrie ab, wie Kritiker behaupten? Wohl kaum. Immerhin bauen die deutschen Autohersteller auch Benziner, Hybride, Erdgas-Fahrzeuge und E-Autos.

Der WLTP-Abgastest wird bei Volkswagen durchgeführt.
Der WLTP-Abgastest wird bei Volkswagen durchgeführt. - dpa

Autobauer selbst schuld

Dass die Deutsche Autoindustrie unter die Räder kommt, hat sie sich selbst zuzuschreiben. Ohne Abgas-Manipulation wäre die Stickoxid-Diskussion nie aufgekommen, obwohl seit Jahren die Grenzwerte überschritten werden.

Die Politik ist mitschuldig. Sie hat auf Druck der Autolobby strengere Abgastests jahrelang verschleppt. Und Schlupflöcher auf dem Prüfstand durchgewunken. Das macht auch eine Milliarden-Busse gegen VW nicht wieder wett.

Auch Auto-Journalisten hätten testen können, was bei Neuwagen so aus dem Auspuff kommt. Taten sie nie.

Weil alle anderen versagt haben, werden jetzt Autofahrer bestraft. Sie werden nicht nur ausgesperrt, sondern müssen auch mit einem massiven Wertverlust leben.

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