Mit der 99%-Initiative will die Juso die Reichen stärker zur Kasse bitten und so die Ungleichheit in der Schweiz vermindern. Funktionierts? Nau hat nachgefragt.
Ben Jann, Soziologe der Uni Bern, erklärt die möglichen Auswirkungen der 99-Prozent-Initiative. - Nau
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die 99-Prozent-Initiative der Juso wurde gestern Montag für gültig erklärt.
  • Kapitaleinkommen sollen 1,5 Mal stärker besteuert werden als Lohneinkommen.
  • Soziologe und Ungleichheitsforscher Ben Jann sieht Potential, äussert aber auch Bedenken.
  • Die Gesellschaft wird gleicher, aber insgesamt könnte der Wohlstand abnehmen, so Jann.

Die Zahlen betreffend Ungleichheit sind eindeutig: Die Reichen werden immer reicher. Das bestätigt auch Soziologe Ben Jann. Der Ungleichheits-Forscher an der Uni Bern beobachtet, wie die Schere zwischen Top- und Normalverdiener immer weiter aufgeht.

«In der Schweiz ist es noch nicht so extrem wie beispielsweise in den USA. Doch auch bei uns hat das oberste Prozent der Reichsten seit dem Jahr 2000 um bis zu vier Durchschnittsvermögen zugelegt.»

Juso will Reiche stärker besteuern

Davon hat die Juso genug. Die 99-Prozent-Initiative soll das reichste Prozent der Schweizer Bevölkerung stärker besteuern. Die restlichen 99 Prozent sollen damit entlastet werden.

Konkret: Einkommen aus dem Vermögen – wie Zinsen und Dividenden – sollen 1,5-mal so stark besteuert werden wie das Einkommen aus der Arbeit, also dem Lohn. Dabei soll es einen Freibetrag geben. Die Juso denkt an eine Grenze von 100'000 Franken pro Jahr.

Soziologe Ben Jann: «Das heutige Mass an Ungleichheit ist eher hemmend für die Wirtschaft.» - Nau

Unmittelbar zeige dieses Mittel sicher seine Wirkung, so Ben Jann: «Wenn man von den Reichen nimmt und es den Armen gibt, nimmt die Ungleichheit ab, das ist klar.» Aber nicht nur. Denn: «Langfristig könnte die Wettbewerbsfähigkeit abnehmen und das Wirtschaftswachstum sowie das Wohlstandsniveau insgesamt sinken.»

Wirtschaftliche Argumente zeigen bei Abstimmung ihre Wirkung

Als kleines Land seien Alleingänge für die Schweiz eher schwierig, gibt Jann zu bedenken. «Wenn das Ausland nicht mitmacht, wird die Abwanderung für Reiche attraktiv. Das wiederum würde der Schweiz als Wirtschaftsstandort schaden.»

Soziologe Ben Jann: «Auch ein verletztes Gerechtigkeitsempfindens kann negative Konsequenz der Ungleichheit sein.» - Nau

Wer viel leistet, hat auch viel verdient

«Wir holen uns zurück was uns gehört», so die Juso zu ihrer Initiative. Die Leute haben ein Gerechtigkeitsempfinden, sagt Soziologe Jann dazu. Oft werde zwischen zwei Arten von Einkommen unterschieden.

«Wer viel leistet, hat auch viel verdient – so die allgemeine Vorstellung. Beim Kapitaleinkommen wird aber das Gefühl vermittelt, dass einfach Geld reinkommt, ohne dass sich jemand anstrengt. Das wird als unfair empfunden.»

Der Soziologe, Ben Jann, erklärt warum Einkommen nicht gleich Einkommen ist. - Nau

Wirtschaftliche Argumente setzen sich oft durch

Das Bedürfnis nach mehr Verteilungsgerechtigkeit ist laut Ben Jann in den letzten 10 bis 20 Jahren aufgekommen: «In den 80ern war man noch dem Neo-Liberalismus verfallen.» Massnahmen gegen Ungleichheit seien aber auch heute noch selten.

Die eben angenommene Topverdienersteuer in Basel oder die Abzocker-Initiative würden zu den Ausnahmen gehören. Aus der Bevölkerung sei für solche Initiativen zwar jeweils eine gewisse Unterstützung zu spüren. Schlussendlich waren die wirtschaftlichen Argumente dann aber oft ausschlaggebender.

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