Frauen in Führungspositionen setzen im Zweifel eher auf Sicherheit als auf Freiheit. Dies hat Folgen für uns alle. Ein Gastbeitrag von Ronnie Grob.
Kolumnist Ronnie Grob.
Ronnie Grob ist Chefredaktor des «Schweizer Monat». - zVg
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ronnie Grob ist Chefredaktor des «Schweizer Monat».
  • Das Autoren- und Debattenmagazin für Politik, Wirtschaft und Kultur ist 100 Jahre alt.
  • Ronnie Grob lebt in Zürich.
  • Er stellt sich die Frage, was wichtiger ist: Die Freiheit oder die Sicherheit.

Nein, alle Frauen sind auch in diesem Text nicht gemeint. Ich kenne Frauen, die so rückhaltlos mutig sind, dass ich mir neben ihnen wie ein Angsthase vorkomme: Sie springen von Klippen, steuern Kampfjets, bändigen Tiger. Und es gibt Männer, die selbst für einen kleinen Spaziergang in der Ebene einen Schutzhelm anziehen würden, und es niemals wagen würden, ihrer Mutter, ihrer Frau oder ihrem Chef zu widersprechen – ganz egal, ob es um das grosse Ganze geht oder nur um ein kleines Anliegen.

Auch wenn es einige bezweifeln wollen, ist es eine Tatsache, dass es zwei Geschlechter gibt in der Welt der Tiere, zu denen der Mensch nun mal gehört – Männchen und Weibchen. Männchen, die sich fortpflanzen wollen, sind evolutionär dazu gezwungen, den ersten Schritt zu machen, in die Offensive zu gehen, etwas zu wagen. Sie plustern sich auf, präsentieren sich, versuchen, Eindruck zu schinden.

Vogel
Bei den Vögeln wirbt das farbenfrohe Männchen um das getarnte Weibchen. - Pexels

Die Weibchen schauen sich die ganze Parade an, und wenden sich in aller Regel gelangweilt ab. Doch immer mal wieder gibt es einen, der etwas hat oder mit sich bringt, das die anderen nicht haben. Einer, der es wert ist genauer inspiziert zu werden. Vielleicht eignet er sich sogar dazu, gemeinsam Zeit zu verbringen, und am Ende führt dieser Prozess dann sogar zu gemeinsamem Nachwuchs. Bei allen Unterschieden zur Tierwelt scheint das den meisten doch recht vertraut.

Frauen als Vorbild in der Corona-Krise

Doch genug vom Aufklärungsunterricht. Gehen wir zur Politik, und schauen darauf, wie sich Frauen in Führungspositionen in der Coronakrise verhalten haben. Länder, die von Frauen regiert werden – Taiwan, Island, Dänemark, Norwegen – gelten in den Medien als Vorbilder in der Bewältigung der Krise.

Auch die Premierministerin von Neuseeland, Jacinda Ardern, wurde medial hochgelobt, als sie einen der härtesten Lockdowns durchsetzte, der zunächst durchaus erfolgreich war: Nach einem strengen, zweimonatigen Lockdown erklärte sich Neuseeland am 8. Juni 2020 als coronavirusfrei. Der Erfolg liess sich zwar trotz idealer, weil abgeschiedener Insellage zwar nicht halten, dennoch blieben die Fall- und Todeszahlen bis heute tief: 2139 bestätigte Fälle, 26 Tote.

auckland lockdown neuseeland
Jacinda Ardern, Ministerpräsidentin von Neuseeland. (Archivbild) - Keystone

Während es also der Volksgesundheit hinsichtlich des Coronavirus gut geht, geht es der Wirtschaft schlecht und schlechter: wie viele andere Volkswirtschaften, die den Lockdown wählten (die grosse Ausnahme ist ausgerechnet China!) liegt die stark von Tourismus abhängige neuseeländische Wirtschaft am Boden.

Nach Arderns Amtsantritt im Oktober 2017 stieg das jährliche Wachstum des Bruttosozialprodukts im Juni 2018 auf 3,7 Prozent. Seither geht es rasant abwärts: während im Juni 2019 noch ein Plus von 2,9 Prozent erzielt wurde, war es im Juni 2020 bereits ein Minus von 1,7 Prozent. Die neuste Zahl kommt aus dem Dezember 2020: Ein Minus von 2,9 Prozent.

Angela Merkel hält Deutschland im Lockdown

Natürlich gibt es auch viele Regierungen mit Männern an der Spitze, die zu untauglichen Lockdowns gegriffen haben, zuletzt wieder Frankreich unter Emmanuel Macron. Aber ist es in Europa nicht Angela Merkel, die verantwortlich ist für die langen, harten Lockdowns, die sich seit Monaten in Deutschland hinziehen? Zuletzt verordnete sie eine strikte Osterruhe, die sich praktisch überhaupt nicht umsetzen liess, wie sie später reumütig öffentlich einsehen musste. Jetzt denkt sie wieder nach über Ausgangssperren.

Coronavirus
Angela Merkel spricht zu den Medien. - Keystone

Was läuft in der Schweiz? Will man dem glauben, was Bundeshausjournalisten portieren, ist die Situation im Bundesrat so, dass die beiden SVP-Vertreter für weniger staatliche Massnahmen sind, und dazu Ignazio Cassis von der FDP. Wäre dem so, würden die drei Frauen im Bundesrat die Politik des sozialdemokratischen Gesundheitsminister Alain Berset unterstützen, der Sicherheit über Freiheit stellt und die Wirtschaft stark einschränkt. Hervorzuheben ist hierbei besonders die Rolle von Justizministerin Karin Keller-Sutter.

Keine Überraschung bei Keller-Sutter und Rickli

Als Vertreterin des Freisinns ist sie dazu angehalten, die Wirtschaft zu vertreten und die Freiheit der Einzelnen. Ist es wirklich ihre Stimme, die eine an sich bürgerlich-liberale Mehrheit im Bundesrat (2 FDP, 2 SVP) bricht? Im Kanton Zürich war es Natalie Rickli, die Sicherheit in den Fokus stellte. Sowohl bei Keller-Sutter als auch bei Rickli überrascht das nicht. Beide haben sich bisher, vor die Wahl gestellt, eher für Sicherheit als für Freiheit entschieden.

Keller-Sutter hat sich als Exekutivpolitikerin stets für mehr Sicherheit engagiert. Im Kanton St. Gallen befürwortete sie einen konsequenten Vollzug des Asyl- und Ausländergesetzes, erhöhte die Polizeipräsenz im öffentlichen Raum und forderte ein härteres Durchgreifen gegen Hooligans. 2008 noch schrieb sie im «Schweizer Monat» noch, es sei «nicht die Aufgabe des Staates, die Bürgerinnen und Bürger zu bevormunden, sie an der Hand zu nehmen und sie durchs Leben zu führen.» Ist das nun plötzlich nicht mehr aktuell?

karin keller sutter
Karin Keller-Sutter hat sich als Exekutivpolitikerin stets für mehr Sicherheit engagiert. - keystone

Rickli dagegen zeigt, dass ein Wechsel des Umfelds und der Verantwortlichkeiten auch einen Wechsel der Haltungen beeinflussen kann. War Rickli als SVP-Nationalrätin noch als meinungsfreudige Twittererin bekannt und als Mitglied der «Aktion Medienfreiheit» als entschiedene SRF-Gegnerin, finden sich heute Tweets des Kantons Zürich und von SRF in ihrer Timeline. Ihre eigenen Webseiten sind aktuell nicht zugänglich – hätte man da womöglich etwas nachlesen können, das ihrer aktuellen Sicherheitspolitik entgegenläuft?

8-Jährige, die etwas möglicherweise Gefährliches tun wollen, wissen, wo sie dabei die Erlaubnis einholen müssen: Sicher nicht bei Mami, sondern bei Papi. Anders als Mamis können sich viele Papis nämlich gar nicht so richtig vorstellen, wie gefährlich etwas herauskommen könnte. Weshalb sie nämlich selbst gerne Töfffahren oder mit einem Kajak einen Wasserfall runterrasen.

Oder morgens früh, ohne jemandem etwas zu sagen, einen Berg besteigen, auch wenn das Wetter nicht nur schlecht ist, sondern lebensgefährlich schlecht ist. Dass die riesige Mehrheit der Gewinner des Darwin Awards (darwinawards.com) Männer sind, ist kein Zufall. Es handelt sich dabei um einen sarkastischen Negativpreis, der seit 1994 verliehen wird, um auf Menschen aufmerksam zu machen, die sich versehentlich selbst töten, tödlich verunfallen oder selbst unfruchtbar machen und dabei laut Organisatoren des Preises ein besonderes Mass an Dummheit zeigen.

Freiheit wichtiger als Sicherheit

Was 8-Jährige planen, ist dann aber meistens gar nicht so gefährlich, wie das ihre besorgten Mütter glauben. Im Gegenteil, ihre Welterkundungen sind wichtige Erfahrungen, die Mädchen und Jungen einfach machen müssen, um sich selbst in der Welt zu erfahren und Zutrauen zu finden zu den eigenen Fähigkeiten.

Wer mit 8 etwas erfolgreich selbst plant und ausführt, wird mit 28 viel wahrscheinlicher eine Firma gründen und zum allgemeinen Wohlstand beitragen als jemand, der es mit 8 noch nicht draufhat, alleine die Strasse zu überqueren, weil ihn seine Helikopter-Mutter jeden Tag persönlich bei der Schule vorbeibringt.

Vergessen wir es nicht: Sicherheit geht nicht über alles. Freiheit ist ebenso wichtig. Ich würde sagen: wichtiger.

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Zum Autor: Ronnie Grob ist Chefredaktor des «Schweizer Monat». Das Autoren- und Debattenmagazin für Politik, Wirtschaft und Kultur ist 100 Jahre alt. 2015 wurde Grob als Nachbern.ch-Blogger kurzzeitig aus dem Bundeshaus verbannt. Er lebt in Zürich und ist besorgt über den Niedergang der Freiheit.

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Das Titelblatt der April-Ausgbe des «Schweizer Monat». - zVg

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