Patrick Hässig: Das Französisch gehört in die Oberstufe!
«Das Frühfranzösisch spaltet die Schweiz. Encore une fois!» Eine Kolumne von GLP-Nationalrat Patrick Hässig.

Das Wichtigste in Kürze
- Patrick Hässig hat in Neuenburg die Schulbank gedrückt und sein Französisch aufgefrischt.
- Für ihn sei klar geworden, dass Französisch in die Oberstufe gehöre.
Die zweite grosse Landessprache hat mich in den letzten fünf Wochen intensiv begleitet. Ich habe mich nach Neuenburg zurückgezogen – und an meinen Französisch-Kenntnissen gearbeitet.
Statt Frühfranzösisch habe ich noch Spätfranzösisch gelernt, könnte man fast sagen.
Ehrlich gesagt war ich überrascht, wie wenig Französischkenntnisse nach doch neun Jahren Unterricht in der Schule und in meiner KV-Lehre übriggeblieben ist.
26 verschiedene Ansichten
Sich einigermassen verständigen können in einer unserer vier Landessprachen, ist für mich sehr wichtig. Und hat auch mit dem nationalen Zusammenhalt zu tun.
Doch ab wann sollten wir nun Französisch in der Schule lernen? Wie so oft in der Schweiz sind die Meinungen gespalten. Es liegen 26 verschiedene Ansichten dazu auf dem Tisch.
Appenzell Ausserrhoden ist bis jetzt am weitesten gegangen. Dort hat der Kantonsrat vor kurzem die Abschaffung von Frühfranzösisch beschlossen.
Aber auch in den Kantonen St. Gallen, Thurgau, Zürich und sogar im zweisprachigen Bern gibt es politische Vorstösse, das Frühfranzösisch aus der Primarschule zu verbannen.
Was ich in den letzten Wochen wieder erfahren habe: Französisch zu lernen, setzt eine sehr strukturierte Lernarbeit voraus.
Pädagoginnen haben mir berichtet, dass bei Kindern die Hirnentwicklung, die solches Lernen zulässt, erst im Teenager-Alter einsetzt.
Zudem haben heute viele Kinder im Primarschulalter Mühe mit der Erstsprache Deutsch.
Wie soll sich ein Primarschulkind, welches schon Probleme mit der Grammatik im Deutsch hat, sich in der komplizierten Welt der französischen Verben und Satzstrukturen zurechtfinden?
Für eine Fremdsprache, in der im Alltag wenig, bis keine Anknüpfungspunkte vorhanden sind (und doch viel Theorie dabei ist), ist es wichtig, dass man sein Lernen strukturieren kann.
Da hat es das Englisch einfacher. Die Sprache liegt näher am Deutsch. Und es bietet viel mehr Berührungspunkte im Alltag. Auch strukturell ist Englisch näher am Deutschen: Es lassen sich viel einfacher Sätze bilden und Unterhaltungen gestalten.
Französisch gehört in die Oberstufe
Ich habe mir in den letzten Wochen am Neuenburgersee viele Gedanken gemacht – und auch mit einigen Pädagoginnen diskutiert.
Für mich ist klar geworden: Das Französisch gehört in die Oberstufe! Und es soll dort dafür richtig und vielleicht mit mehr Wochenlektion unterrichtet werden.
Zudem muss der Unterricht in Französisch (für die Westschweiz Deutsch) zwingend harmonisiert werden – und sich am Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER) für Sprachen mit den Niveaus A1 – C2 orientieren.
Flickenteppiche nicht mehr zeitgemäss
Auch macht es Sinn, dass in der Schweiz alle Kinder mit denselben Lehrmitteln und Lernzielen in der zweiten Landessprache unterrichtet werden.
Dieser Flickenteppich der kantonalen Unterschiede ist nicht mehr zeitgemäss. Es erschwert für Familien eine freigewählte Niederlassung noch mehr.
Vielleicht kann man noch weiter gehen und sagen: Ab der ersten Oberstufe kann eine der grossen Landessprachen gewählt werden. Möglicherweise würde auch Italienisch gut ankommen.
Für mich ist klar: Ab der ersten Oberstufe, dann wenn strukturiertes Lernen möglich wird, setzten wir gezielt und intensiv auf eine zweite, tolle Landessprache.
Zur Person: Patrick Hässig (46) sitzt seit 2023 für die GLP im Nationalrat. Er ist Mitglied der Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) des Nationalrates. Er ist wohnhaft in der Stadt Zürich und arbeitet als diplomierter Pflegefachmann HF auf einem Kindernotfall. Für Nau.ch schreibt er regelmässig Kolumnen.