Unser Kolumnist will nicht gesünder leben, sondern ein anständiger Mensch sein. Das ist einfacher, als man denkt.
Reda El Arbi
Gastautor bei Nau.ch: Reda El Arbi. - Nau.ch
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Das Wichtigste in Kürze

  • Nau.ch-Kolumnist Reda El Arbi hält eine Predigt zu Neujahrsvorsätzen.
  • El Arbi erlangte als Blogger und Journalist Bekanntheit.
  • Bis 2011 war er Chefredaktor des Satiremagazins «Hauptstadt».
  • Er lebt mit Frau und zwei Hunden in Stein am Rhein SH.

Mit dem Rauchen aufhören? Mehr Sport treiben? Weniger saufen? Obwohl ich ein Fan von Ritualen bin, habe ich nie viel von den üblichen, jährlichen Neujahresvorsätzen gehalten. Wohl, weil ich niemanden kenne, der sie länger als ein paar Wochen eingehalten hat. Und die meisten Vorsätze sind nicht mal die paar grauen Zellen wert, in denen sie gedacht werden.

Rauchen
Mit dem Rauchen aufhören? Das ist eines der häufigsten Neujahresvorsätze. - Pixabay

Die üblichen Neujahresvorsätze machen ihr Leben nicht unbedingt besser. Weniger rauchen, mehr Sport treiben oder nicht so viel fressen machen Sie nicht zu einem besseren Menschen, höchstens zu einem gesünderen. Es ist ganz im Zeichen des egoistischen Individualismus, dass «gute Vorsätze» in erster Linie dem eigenen Wohlbefinden dienen. Die meisten drehen sich um den üblichen Leistungsbullhsit und Selbstoptimierung im Sinne von «geiler, stärker, fitter». Natürlich gibts auch die «spirituelleren» Ansätze wie «folge deinen Träumen» und «sei du selbst!». Aber auch diese sind eher Kalendersprüche, die auf Sonnenuntergang-Bildern auf Instagram gepostet werden, und nicht unbedingt ein Schritt in ein besseres Ich oder ein anständigeres Leben.

Dabei sind gute Neujahresvorsätze gar nicht so schwer zu fassen. Dass es für ein bestimmtes Datum ist, das irgendwer vor langer Zeit willkürlich definiert hat, macht eigentlich nichts. Silvester und Neujahr sind Teil unserer Kultur und bedeutungsschwanger. Das ist ein guter Zeitpunkt, um eine Veränderung zu beginnen.

Neujahr
Neujahr ist ein guter Zeitpunkt, um eine Veränderung zu beginnen. - Pixabay

Der erste Schritt ist etwas tricky: Man muss ich nämlich einer persönlichen Inventur stellen. Man muss sich also eingestehen, wo man ein Ar****ch ist. Und glauben Sie mir, jeder von uns ist manchmal ein Ar****ch. Da gibts keine Ausnahmen.

Hat man seine Charakterdefekte mal ermittelt, sollte man sie vielleicht verifizieren. Das heisst, man geht zu einem vertrauten Menschen und gesteht ihm oder ihr ein, wo man ein Ar****ch ist. Einmal ausgesprochen, kommt die Demut, daran zu arbeiten, viel leichter. Da man es sich und einem anderen Menschen gegenüber eingestanden hat, ist es plötzlich messbare Realität und kann verändert werden.

Natürlich steht man nicht am 1. Januar auf und ist plötzlich ein besserer Mensch. Man kann an diesen Sachen auch nicht nach innen arbeiten. Yoga, Meditation und andere geistige Übungen helfen da eher weniger. Da ist effektiv tägliches Handeln gefragt.

Es gibt aber eine einfache Regel: Egal, was du in deinem Kopf für eine Pfeife bist, egal, welche Gemeinheiten und welcher Wahnsinn sich in deinen Gedanken abspielen, solange du andere anständig behandelst, bist du auf dem richtigen Weg. Es geht also gar nicht so darum, dein Inneres zu ändern, sondern darum, deine Handlungen zu verändern.

Charakter
Das eigene Handeln spielt bei Neujahresvorsätzen eine entscheidende Rolle. - Pixabay

Für mich ist das einfach. Ich habe so viele Charakterdefekte, dass ich jeden Tag mindestens einmal besser handeln kann, als es in meiner Natur liegen würde. Einmal weniger jemanden beschimpfen, einmal mehr freiwillig mit den Hunden spazieren gehen, obwohl es arschkalt ist. Mehr Geduld für Idioten aufbringen, die so verbittert über die Welt sind, dass sie nur Hass verbreiten. Ich könnte noch ewig weitermachen. Einfach einmal täglich anständiger handeln, als es mein erster Impuls wäre. Und Sie werden es nicht glauben: Mein Leben wird dadurch täglich besser.

Nicht, dass ich dann plötzlich ein «guter Mensch» wäre. Aber ich bin ein besserer Mensch als gestern. Und die Welt wird ein minim besserer Ort, weil jemand sich einmal weniger wie ein Ar****ch verhält.

Und das Coole daran: Wenn man mal damit angefangen hat – vielleicht sogar am 1. Januar – beginnt es Spass zu machen. Und es ist nicht wie das neue Fitnessabo nach drei Wochen vergessen, oder verdrängt, wie der Vorsatz, weniger zu saufen am dritten Apero im neuen Jahr.

In diesem Sinne: Guten Rutsch und guets Nois!

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