Das BLW möchte Billigfleisch-Werbung verbieten. Das ist zwar ein guter erster Schritt, reicht für einen langfristigen Wandel jedoch nicht aus. Ein Gastbeitrag.
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Geschlachtete Schweine sind in einem Schlachtbetrieb aufgehängt. - Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Das Bundesamt für Landwirtschaft erwägt, Werbung für Billigfleisch zu verbieten.
  • Billigfleisch stammt vor allem aus Massentierhaltung, die enormes Leid mit sich bringt.
  • Ein Werbeverbot ist zwar ein erster Schritt, wird aber nicht ausreichen. Ein Gastbeitrag.

Die Ankündigung des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) hat vor wenigen Tagen Wellen geschlagen: Der Bund erwäge aktuell, ein Werbeverbot für Billigfleisch einzuführen. In diesem Beitrag möchte ich erklären, wieso dieser Schritt notwendig ist, aber gleichzeitig wohl nicht weit genug geht, um das Leid in der industriellen Tierproduktion effektiv zu reduzieren.

Billigfleisch ist ein Klimakiller

Das BLW begründet seinen Vorschlag mit dem negativen Einfluss von Fleisch auf die Schweizer Klimabilanz. Und die Fakten geben dem Bundesamt recht: Rund die Hälfte der in der Schweiz produzierten Nahrungsmittel sind Tierprodukte. Diese sind – inklusive Futterbau – für gut 85 Prozent der landwirtschaftlichen Emissionen verantwortlich.

Eine Studie der ETH Zürich zur Vermeidung landwirtschaftlicher Treibhausgase in der Schweiz zeigt zudem auf, dass «die Entwicklung der landwirtschaftlichen Treibhausgas-Emissionen [...] in erster Linie von der Entwicklung der Tierbestände abhängig sein wird».

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In Deutschland wurde gegen Billigfleisch demonstriert. - keystone

Wollen wir das Klima schützen, muss unser Ziel sein, die Tierbestände zu senken. Das geht vor allem dann, wenn die intensive Tierproduktion – aus welcher besonders viel billiges Fleisch stammt – eingedämmt wird. Ein Werbeverbot für Billigfleisch ist ein naheliegender erster Schritt.

Tiere leiden für billigen Konsum

Umweltschutz ist aber nicht das einzige wichtige Argument in dieser Debatte. Vielen Menschen in der Schweiz ist Tierleid ein Dorn im Auge. Doch in der industriellen Tierproduktion steht dies leider an der Tagesordnung: So teilen sich beispielsweise zehn Schweine die Fläche eines Autoparkplatzes.

Gleichzeitig haben sie während ihres ganzen Lebens kein einziges Mal die Möglichkeit, sich im Schlamm zu suhlen, oder mit der Schnauze in der Erde zu wühlen. Sie sehen vielleicht einmal den freien Himmel – beim Verladen zum Schlachthof.

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In einem Geflügelbetreib in Niederglatt ZH wurde bei mehreren Legehennen die Newcastle-Krankheit nachgewiesen. Aus Sicherheitsgründen muss der Bestand getötet werden. - Keystone

In der Hühnerhaltung sind Ställe mit bis zu 27’000 Tieren erlaubt. Diese Tiere haben nichts mehr mit denen zu tun, wie man sie sich auf Bauernhöfen vorstellt. Es sind Tiere, die durch «Qualzuchten» darauf getrimmt sind, in Rekordgeschwindigkeit auf ein enorm hohes Körpergewicht heranzuwachsen, das von ihrem eigenen Skelett in zahlreichen Fällen nicht getragen werden kann. Viele Tiere sterben, noch bevor sie im zarten Alter von 35 Tagen sowieso geschlachtet worden wären.

All das sind Beispiele aus der Massentierhaltung, aus der die Billigfleisch-Produkte stammen, auf die das BLW nun abzielt.

Kein Novum

Aus Sicht des Tierwohls ist es selbstverständlich, dass für solche Produkte ein generelles Werbeverbot gelten sollte. Schliesslich sind Werbeverbote für Produkte, die wir als Gesellschaft nicht fördern möchten, in der Schweiz nichts Neues.

Werbung für Tabakprodukte ist in der Schweiz in Radio und Fernsehen oder in verschiedenen Teilen des öffentlichen Raumes ebenfalls seit Längerem verboten. Stark reguliert und teilweise eingeschränkt ist auch die Werbung für gewisse alkoholische Erzeugnisse.

International gesehen ist das vorgeschlagene Werbeverbot für Billigfleisch ebenfalls keine Neuheit – dieselbe Gesetzesanpassung wird nämlich aktuell auch in Deutschland diskutiert.

Es braucht Aufklärung und Taten

Eines ist klar: Durchschnittsschweizer:innen essen gerne und viel Fleisch. Aktuell knapp dreimal so viel, wie von der offiziellen Ernährungspyramide des Bundes empfohlen wird.

Umso wichtiger ist es deshalb, dass der Bund zusätzlich zu einem Billigfleisch-Werbeverbot aktive Aufklärungsarbeit zu den Haltungsbedingungen leistet, aus denen die Billigfleisch-Produkte in den Regalen der Schweizer Supermärkte stammen, und auf die gesundheitlichen Folgen eines übermässigen Konsums hinweist.

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Verschiedene Sorten Schweinefleisch und Rindfleisch liegen n einer Fleischtheke in einem Supermarkt. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH

Es ist eine zentrale Aufgabe des Bundes, seine eigenen Nachhaltigkeitsziele mit wirksamen Methoden zu erreichen. Schlussendlich soll ein breiter Wandel im Schweizer Ernährungssystem erfolgen und falls nötig sollen Akteure – zum Beispiel auch der Detailhandel – bei der Umstrukturierung unterstützt werden.

Denn es gilt nicht nur die Konsument:innen, sondern auch die Detailhändler selbst in die Verantwortung zu nehmen. Migros, Coop und die weiteren Grossverteiler könnten beispielsweise mit einem Ausstiegsplan aus dem Produktangebot aus Massentierhaltung einen Schritt in eine nachhaltige und tierfreundliche Zukunft wagen, und die Margen-Unterschiede für Produkte aus konventioneller und aus Bio-Haltung angleichen.

Ein erster Schritt – doch viele müssen noch folgen

Ein Werbeverbot für Billigfleisch ist ein guter erster Schritt, er wird alleine aber nicht ausreichen, um den Konsum von billigem Fleisch nachhaltig zu senken. Dafür braucht es weitere mutige Schritte der Politik und der relevanten Industrien – beispielsweise ein generelles Werbeverbot für Fleisch oder ein Verbot von Fleisch-Aktionen.

Erst weitere Einschränkungen der Massentierhaltung und ein Detailhandel, der seine Verantwortung als mächtiger Player im Schweizer Ernährungssystem wahrnimmt, werden einen echten, langfristigen Wandel ermöglichen.

Zum Autor: Silvano Lieger ist Geschäftsleiter von Sentience Politics.

Silvano Lieger.
Silvano Lieger, Geschäftsleiter Sentience Politics. - zVg

Sentience Politics trägt die Interessen nicht-menschlicher Tiere in die Mitte der Gesellschaft. Die Organisation möchte durch institutionelle Veränderungen dafür sorgen, dass auch das Leid nicht-menschlicher Tiere möglichst effektiv minimiert wird. Dafür arbeitet Sentience Politics insbesondere mit den direktdemokratischen Mitteln, die uns in der Schweiz zur Verfügung stehen – namentlich Initiativen auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene.

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