Cyrill Pürro kommentiert die Begrenzungsinitiative
Am Sonntag wird über die Begrenzungsinitiative abgestimmt. Für Cyrill Pürro steht fest: Die SVP versucht mit ihrem ewigen Pfad der Migrationspolitik zu punkten.

Das Wichtigste in Kürze
- Am 27. September entscheidet die Schweiz unter anderem über die Begrenzungsinitiative.
- Cyrill Pürro hinterfragt in einem Kommentar die SVP-Haltung zu ihrem «Lieblingsthema».
Diesen Monat stimmt die Schweiz über fünf Abstimmungsvorlagen ab. Inmitten des Streits über neue Kampfjets, der Diskussion über den Artenschutz oder den Vaterschaftsurlaub, wirbt die SVP für ihre «Begrenzungsinitiative» in besonders grossem Stil – und trifft einen Triggerpunkt der Bevölkerung. Auf ihrem ewigen Pfad der Migrationspolitik scheint die SVP nicht aufgeben zu wollen, dennoch wird die Zustimmung gegenüber der Partei im Land von Jahr zu Jahr geringer. Ein Kommentar.
Seit ihres Ursprungs, der sich in den 1930er wiederfindet, ist die Migrations- und EU-Politik das Hauptthema der Schweizerischen Volkspartei. Statt sich mehrheitlich mit der Umwelt, der Pandemie oder der Familienpolitik zu beschäftigen, versucht die Partei noch immer mit Parolen gegen die Flüchtlingspolitik und die EU zu punkten.

Ihre Haltung gegenüber ihrem «Lieblingsthema» ist das Aushängeschild der Partei, ein Triggerpunkt, mit dem man lange provozieren konnte. Doch seit den jüngsten Ereignissen ist unklar, ob die Partei noch lange auf grosse Unterstützung in der Bevölkerung zählen kann – insbesondere auf die der Jungen.
Migrationspolitik – ein Schweizer Triggerpunkt
Ob in der Bar, am Arbeitsplatz, am Familientisch oder in einem alltäglichen Gespräch: Das Thema Migration kann in der Schweiz schnell zum Triggerpunkt werden. In keinem anderen politischen Diskurs sind die Meinungen so gespalten wie in dem über die Zuwanderung. Von der stadtliberalen Öko-Tante, bis zum Bünzli-Onkel auf dem Lande: Wer in der Schweiz über Migration spricht, muss sich auf ein Wortgefecht einlassen, welches, so könnte manchmal geglaubt werden, über Leben oder Tod entscheidet. Gerade die SVP weiss diesen Triggerpunkt auszunutzen, wie beispielsweise in einem provokanten Werbevideo für die Begrenzungsinitiative.
Am Anfang war das Video
Gepostet wurde das Video vom Aargauer Nationalrat Andreas Glarner höchstpersönlich. Das darin gezeigte Mädchen wirbt für die Begrenzungsinitiative, während es durch Schweizer Naturlandschaften und Städte streift. Mit der Stimme eines Kleinkindes rühmt das Mädchen die Schweiz für ihre Natur und Kultur und schimpft gleichzeitig über volle Trams oder darüber, nicht mehr sicher draussen spielen zu können. Quintessenz des Videos: An der «überfüllten» und «kriminellen» Schweiz sind allein die Ausländer*innen Schuld.

Schon nach kurzer Zeit löste das Video der SVP einen Shitstorm aus. Vor allem junge Social Media-Nutzer teilten den Post von Glarner auf Instagram und empörten sich dazu über die Worte des Mädchens. Auf Instagram wurde das Video mittlerweile gesperrt.
Eine Sintflut von «JA»-Parolen
Nur wenige Wochen später, mitten in der heissen Phase des Ringens um die Gunst des Schweizer Stimmvolkes, kommt plötzlich eine Sintflut von mysteriösen Briefen über die Briefkästen von Frau und Herrn Schweizer. Dicke, rote Buchstaben zu einem «Ja» geformt, prangern auf dem gefalteten A4-Blatt und springen einem ins Auge, wenn der Flyer geöffnet wird. «Ja zur massvollen Zuwanderung», lautet der genaue Wortlaut des Flyers. Ein Werbe-Flugblatt für die Begrenzungsinitiative. Doch der Briefkopf verwirrt: verschickt wurde der politische Brief von der Deutschen Post, was so gar nicht zum Argumentarium der SVP passt. Mittlerweile reichte die SVP eine Strafanzeige gegen Unbekannt ein. Laut der Partei und der Kampagnenleitung, die sich «in aller Form» von den Briefen distanziert, soll es sich hierbei um eine Aktion der Gegner der Initiative handeln. Die Werbebriefe sollen gar an Adressen von «längst Verstorbenen» verschickt worden sein, wie der Tagesanzeiger berichtet.
Nichtsdestotrotz lässt die Verteidigung der SVP Fragen offen. Was soll es den Gegnern der Begrenzungsinitiative bringen, Werbebriefe für ein «JA» wahllos an Leute zu verschicken? Ist den politischen Parteien der Schweiz ihr Ruf nicht zu wichtig, um sich einen solch folgeschweren Witz zu leisten?
Wird das Thema Migration falsch angegangen?
Fakt ist, dass Migration immer ein Bestandteil der Geschichte des Westens war und weiterhin sein wird. Dennoch lässt sich die Kehrseite der Medaille nicht leugnen: Gerade in der Schweiz wird es enger, die 10-Millionen-Marke ist bereits in Sicht, immer mehr Menschen aus Krisengebieten versuchen ihr Glück in wohlhabenderen Ländern, auch auf dem Arbeitsmarkt wird es enger.

Lösungen, wie in Zukunft mit Migration umgegangen werden soll, sind gefragt und dazu braucht es einen sachlichen Diskurs. Rechts- wie Linksparteien müssen aufeinander zugehen können, sich Ideen von beiden Seiten anhören und Kompromisse schliessen. Vor allem muss dabei aber die Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU erhalten bleiben, denn die ist massgeblich für unsere Freiheit.
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Der 21- jährige «Youth-Journalist» Cyrill Pürro schreibt regelmässig für das Magazin Tize.ch. Medien sind seine Welt: nebst dem Schreiben für Tize und ab und an anderen Plattformen, zieht er zusammen mit einem Freund einen eigenen Podcast auf, der noch dieses Jahr sein Release feiern soll. Sein Motto: «Make Journalism great again!»