Ein Zürcher Maturand lernt mit KI auf seine Deutsch-Maturprüfung und liest kein einziges Buch. Trotz der Bestnote fehlt ihm das Erfolgsgefühl.
KI
Ein Maturand nutzt KI, um sich auf die Maturprüfung vorzubereiten. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Zürcher Maturand bereitet sich mit KI auf die Deutsch-Maturprüfung vor.
  • Er erstellt sich eine Art virtueller Nachhilfelehrer, der ihm mögliche Fragen stellt.
  • Damit schafft er die Bestnote – ohne auch nur eines der Bücher gelesen zu haben.
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Neun Bücher müssen Maturanden für die mündliche Prüfung lesen. 15 Minuten lang werden sie dann befragt. Der Aufwand für diese Viertelstunde ist enorm. Nicht so für einen 20-Jährigen, der sich mit ChatGPT auf die Prüfung vorbereitet hatte.

«Ich habe keines meiner Bücher gelesen, das hat alles die KI für mich gemacht.» Dies sagt er zur «Neuen Zürcher Zeitung». «Ich habe trotzdem eine Sechs bekommen.» Dafür hat er sich aber einige Gedanken gemacht, damit ihm die Künstliche Intelligenz nicht irgendwelchen Schwachsinn erzählt.

FAsust
«Faust» von Goethe hätte der Schüler lesen müssen. Dank KI konnte er die Fragen des Lehrers perfekt beantworten, ohne das Buch geöffnet zu haben. - keystone

So löste er ein Abo der Bezahlversion von ChatGPT, um PDF-Dokumente hochzuladen. Dazu zählten die Originaltexte und Sekundärtexte, wie zum Beispiel Lektüreschlüssel. Anschliessend gab er dem Chatbot den Befehl, sich nur auf diese Dokumente zu beziehen, denn: «Sonst halluziniert er vor sich hin.»

Dies ist ein bekanntes Problem von Künstlicher Intelligenz: Im Normalfall schustert sie sich Antworten basierend auf Dokumenten aus dem Internet zusammen. Die Folge sind teils falsche Antworten, jedoch mit einer plausibel erscheinenden Erklärung.

Chatbot als Nachhilfelehrer

Anschliessend gab der Maturand der KI die Rolle des Deutschlehrers und liess sie Fragen stellen, die er selbst beantworten musste. «Man muss zuhören im Unterricht und ein Gespür dafür entwickeln, was geprüft werden könnte.» Auch müsse man bei der Prüfung die Antworten schnell bereit haben, man könne nicht gross überlegen. Es sei wichtig, sich bei den Antworten auf das Wesentliche zu konzentrieren. Daher sollte man ein breites Wissen haben.

Mithilfe des Chatbots als eine Art Nachhilfelehrer lernte der Schüler die neun Bücher in zwei Tagen. Ohne je ein Buch geöffnet zu haben. «Mein Lernaufwand für die Mündliche war lächerlich gering», lautet dann auch sein Fazit. An seinen Mitschülern kritisiert er, dass sie nicht wüssten, wie man lerne: «Sie merken sich viel zu viele Details.»

Schule schreibt nicht vor, dass man Bücher lesen muss

Er sei mit dem Chatbot hingegen schnell bei den wesentlichen Punkten angelangt. Er habe gelernt, Verknüpfungen zu erstellen, die Botschaft des Autors zu verstehen und das Prüfungsgespräch in eine Richtung zu lenken.

Ganz neu sei seine Methode nicht: Schon früher hätten sich einige Schüler bloss mit Zusammenfassungen und Sekundärliteratur vorbereitet. Und auch gegen die Regeln habe er nicht verstossen, denn es stehe nirgends, dass man die Bücher lesen müsse. «Die Lehrer gehen davon aus, dass man für eine gute Note die Bücher gelesen haben muss.»

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KI-Experte und Deutschlehrer an der Kantonsschule Romanshorn Jürg Widrig gibt dem Schüler recht: Für ihn sei es okay, wenn Schüler die Bücher nicht gelesen haben. Wichtig sei, dass sie der KI nicht blind vertrauten, sondern kritisch blieben. Sie sollten seriöse Quellen nutzen, dann sei ihm das lieber als das Lernen mit Wikipedia.

Und: «Die Aufgabe an der Maturprüfung besteht weniger darin, den Primärtext gelesen zu haben. Man muss ihn vor allem verstanden haben.» Dass die Poker-Strategie wie beim 20-jährigen Schüler aber immer aufgeht, das sieht Widrig skeptisch. «Man merkt, ob die Jugendlichen einen Text gelesen haben oder nicht.»

Für den 20-Jährigen hatte das Bestehen der Matur mithilfe von KI einen Nachteil: «Ich hatte kein Erfolgsgefühl, als ich mein Zeugnis in den Händen hielt

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