Zürcher Juwelier stellt toten Löwen aus – Empörung
Das präparierte Raubtier zwischen Perlen und Diamanten zieht neugierige Blicke auf sich – und die Kritik von Tierschützern. Seine Herkunft bleibt unklar.

Das Wichtigste in Kürze
- Ein ausgestopfter Löwe im Schaufenster eines Zürcher Juweliers sorgt für grosses Aufsehen.
- Schweizer Zoos geben in bestimmten Fällen Präparate an Museen ab, nicht aber an Private.
- Die Tierschutzorganisation Pro Tier kritisiert die Schau als respektlos und problematisch.
Das Juweliergeschäft Frech an der Zürcher Bahnhofstrasse zieht Passanten derzeit magisch an: Viele bleiben stehen, machen Fotos, Kinder gucken ehrfürchtig.
Der Grund sind nicht die glitzernden Perlenketten und Schmuckstücke im Schaufenster. Sondern ein echter ausgestopfter Löwe, der seit Kurzem zwischen dem edlen Kleinod thront.
Unklare Herkunft des Tierpräparats
Das Tierpräparat lässt sich nicht nur bestaunen, sondern auch erwerben: 35'000 Franken muss hinblättern, wer das majestätische Raubtier sein Eigen nennen will.
Viel ist über den «Lion King» indes nicht bekannt. Er soll aus einem Schweizer Tierpark stammen und eines natürlichen Todes gestorben sein, heisst es auf einem Informationsschild.
Laut Juwelier handelt es sich um ein älteres Exemplar, das 2019 neu präpariert und in seinen heutigen Zustand gebracht wurde.
Bloss: Woher das Tier genau stammt, kann der Juwelier auf Anfrage nicht sagen.
Nau.ch macht sich auf Spurensuche.
Schweizer Zoos: Tierpräparate nur in Einzelfällen
Fest steht: Dass eine tote Raubkatze aus einem grösseren Schweizer Zoo oder Tierpark in private Hände übergeht, ist unüblich.
Wenn im Zoo Zürich, im Zoo Basel oder im Walter Zoo Gossau ein Tier stirbt, wird es zunächst veterinärmedizinisch untersucht. Danach erfolgt in der Regel die fachgerechte Entsorgung in einer Tierkörperverwertungsanlage.
Präpariert werden Tiere nur in Einzelfällen. Dominik Ryser, Sprecher des Zürcher Zoos, erklärt: «Je nach Bedeutung von Individuum oder Tierart können Teilpräparate zu Bildungszwecken für den Zoo angefertigt werden.»

Ganze Tierkörper würden gelegentlich an Museen oder naturhistorische Sammlungen gehen. Tote Löwen, Tiger oder andere Grosskatzen hätten sich in der Vergangenheit aber nicht darunter befunden, merkt Ryser an.
Auch in Basel und Gossau werden verstorbene Tiere ausschliesslich zu wissenschaftlichen oder didaktischen Zwecken präpariert. «Präparate werden in Naturmuseen, Bildungseinrichtungen oder im eigenen zoologischen Ausstellungskontext aufbewahrt», sagt Walter-Zoo-Sprecher Thomas Harder.
Zoos geben keine Tiere an Private ab
Anderweitige Vergaben kommen für die angefragten Zoos dagegen nicht infrage. «Für kommerzielle Zwecke gibt der Zoo Zürich an Privatpersonen keine toten Tiere oder Tierpräparate ab», betont Ryser. Und auch Corinne Moser vom Basler Zolli stellt klar: «Abgaben an Private finden keine statt.»
Historisch betrachtet war der Umgang allerdings weniger strikt. Harder weist darauf hin, dass in der Vergangenheit auch zahlreiche Kleinzoos und Zirkusse Grosskatzen hielten. «Tote Tiere wurden oftmals präpariert und auch an Private verkauft.»

Daneben stammen aber auch viele präparierte Löwen aus der Trophäenjagd, wie Bruno Mainini vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen erklärt.
Ein grosser Teil davon gelangte schon vor 1975 ins Land, bevor das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) in Kraft trat.
So zog es in den 50er- und 60er- Jahren viele Schweizer nach Afrika und Asien. Sie waren dort beispielsweise als Ingenieure, Missionare oder Ärzte tätig – und gingen in ihrer Freizeit auf die Jagd.
Strenge Importregeln seit 1975
Heute ist der Import solcher Jagdtrophäen streng reglementiert. «Seit 1975 ist es nicht mehr möglich, legal einen Tiger oder Jaguar zu schiessen und zu importieren», erklärt Mainini.
Für Löwen (die in der zweithöchsten CITES-Kategorie gelistet sind) braucht es eine Bewilligung. «Im Durchschnitt sind es ein bis zwei Löwentrophäen pro Jahr, die in die Schweiz eingeführt werden.»
Hinzu kämen jeweils einige Leoparden, Elefanten und andere geschützte Arten. Insgesamt handle es sich um «rund 50 CITES-gelistete Tiere, die pro Jahr als Jagdtrophäe importiert werden».

Wie viele ausgestopfte Löwen sich insgesamt in der Schweiz befinden, lässt sich nur schätzen. Mainini geht von «mehreren Dutzend bis etwa hundert Ganzpräparaten» aus.
Hinzu kämen mehrere Hundert Felle, mit oder ohne Kopf. Dasselbe gelte für Tiger, Leoparden und andere Grosskatzen.
«Das sind allerdings eher konservative Schätzungen», fügt Mainini an. Sprich: Es könnten gut auch zwei- oder gar dreimal so viele Präparate sein.
Tierschützer kritisieren «bemerkenswert unsensible» Aktion
Viele Passanten sehen im ausgestopften Löwen beim Zürcher Juwelier womöglich nur eine harmlose Schaufensterattraktion. Tierschutzorganisationen schütteln hingegen den Kopf.
Aldo Hitz, Geschäftsführer der Stiftung Pro Tier, spricht von einer «bemerkenswert unsensiblen» Inszenierung: «Das Tier wird zur Trophäe und zur Ware gemacht. Das ist geschmacklos und lässt jeden Respekt vor ihm vermissen.»
Selbst wenn es eines natürlichen Todes gestorben sei, bleibe die moralische Frage bestehen: «Ist es vertretbar, ein einst lebendes, fühlendes Wesen so zur Schau zu stellen? Wir meinen klar: Nein.»
Hitz zufolge wird durch eine solche Präsentation zudem die falsche Vorstellung vermittelt, Wildtiere könnten Teil einer luxuriösen Warenwelt sein. Damit werde das Bild zementiert, dass Tiere «Objekte menschlicher Selbstdarstellung oder Sammelleidenschaft» seien.
Für Hitz ist klar: «Ein Tier verliert mit seinem Tod nicht seine Würde.» Pro Tier befürworte deshalb «verbindliche ethische Leitlinien». Diese sollen sicherstellen, «dass auch nach dem Tod eines Tieres Achtung und Respekt im Umgang gewahrt bleiben».
Zu den Vorwürfen von Pro Tier wollte sich das Juweliergeschäft Frech nicht äussern.











