Zürcher Firma zieht Kokain-Werbung zurück
Eine Firma aus Zürich sorgt mit einer Werbung, die an Koks-Konsum angelehnt ist, für einen Aufschrei. Man habe provozieren wollen. Jetzt ist das Video gelöscht.
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Das Wichtigste in Kürze
- Eine Reinigungs-Firma macht für ihre Staubsauger Werbung – diese ziehen weisse Linien.
- Sucht-Experten kritisieren, dass dies Suchtkranke zu Kokain-Rückfällen verleitet.
- Werbe-Profi Felix Murbach sagt, dass Aufmerksamkeit schnell in Ablehnung kippen kann.
- Nach kritischen Stimmen löscht das Unternehmen aus Zürich den Film für immer.
Weisses Pulver, mit dem Schaber wird eine Linie zurechtgelegt. Der Sauger kommt – und weg ist sie. «Der zieht alles weg», so der Slogan.
Die Staubsauger-Werbung des Hygiene-Grosshändlers «auromi» aus Dübendorf ZH sorgt für Kritik. Der an Kokain-Konsum angelehnte Clip kommt bei Sucht-Beratern überhaupt nicht an.
«Die Werbung ist sehr problematisch», sagt Sabine Arnold von der Suchtfachstelle Zürich. «Sie verbindet etwas Alltägliches wie einen Staubsauger effekthascherisch mit dem illegalen Konsum von Kokain.»
«Kokain trifft man in jeder Küche an»
Arnold spricht von «Clickbaiting», man wolle Reichweite generieren. Die Verwendung der Linien aus weissem Pulver wirke verharmlosend.
«Es wird suggeriert: Kokain trifft man in jeder Küche an, und man kann das Problem schnell wegputzen», so die Sprecherin.

Weiter: «Kokainkonsum wird als etwas Alltägliches dargestellt, das ‹man ja mal ausprobieren könnte›. So könnte die Message auch bei Kindern und Jugendlichen ankommen, die ebenfalls auf Instagram unterwegs sind.»
Suchtkranke könnten wegen Werbung rückfällig werden
Auch Monique Portner-Helver von Sucht Schweiz findet die Werbung gefährlich. Genau solche Clips könnten bei suchtkranken Menschen reichen, um rückfällig zu werden.
«Manchmal reicht schon eine glatte Oberfläche. Solche Szenen können Erinnerungen an den Konsum wecken und den Wunsch verstärken, zu alten Verhaltensmustern zurückzukehren.»
Die Expertin fragt sich: Wie konnte von den Beteiligten niemand gemerkt haben, dass eine solche Werbung ethisch nicht vertretbar ist? «Vielleicht bräuchte es seitens Firma eine kritische Diskussion über Werte, die man – neben dem Business – gesellschaftlich vertreten möchte.»
Und Arnold erinnert: «Stellen Sie sich vor, wie zynisch eine solche Werbung auf Betroffene – Kokainsüchtige und ihre Angehörigen – wirken muss. Deren Leben ist durch die Droge in Schieflage geraten.»
Staubsauger-Chef wollte mit Koks-Clip provozieren
Auf Anfrage von Nau.ch nimmt Michele Colaci, Geschäftsführer «auromi», zur Kritik Stellung. «Die Szene mit den weissen Linien war bewusst provokant gestaltet, allerdings mit klar humoristischer Absicht.»
Die Idee dahinter: «Das Problem von Schmutz überspitzt zu zeigen. Selbst, wenn es mal ganz schlimm kommt, ist unser Staubsauger bereit.»
Das Video habe man gemeinsam mit einer externen Kreativagentur entwickelt, die für ungewöhnliche und aufmerksamkeitsstarke Ideen bekannt ist.
Nach Kritik: Die Werbung ist jetzt gelöscht
Colaci unterstreicht, dass die Kampagne für Personen über 18 Jahre ausgespielt wurde. Der Internet-Riese «Meta» habe die Werbung freigegeben.
«Uns ist wichtig: Wir verharmlosen in keiner Weise Drogenkonsum und distanzieren uns klar von jeder Form der Verherrlichung», sagt Colaci.
Weil der Humor aber offensichtlich nicht von allen geteilt wird, reagiert die Firma. «Wir haben das Video offline genommen», erzählt der Geschäftsführer.
Hier kommt das Zeugnis vom Werbe-Profi
Was «auromi» mit der Werbung bezwecken wollte, versteht kaum jemand besser als Felix Murbach. Der Marketing-Profi mit eigener Werbe-Agentur stellt dem Clip sein Zeugnis aus.
«Ich sehe die Absicht der Werbung, welche aus kreativer Sicht provokant inszeniert wird.» Das erziele zweifellos Aufmerksamkeit. «Ein nicht unübliches Ziel in der Reinigungsbranche, wo viele Produkte vergleichbar wirken.»

Die Botschaft «Der zieht alles weg» sei «wortspielerisch clever», findet Murbach, «der Bezug zu Kokain aber bewusst grenzüberschreitend gewählt. Ob das witzig oder geschmacklos ist, hängt stark von der Zielgruppe ab.»
Social-Media-«Peaks» dank Koks-Clip
So sorge die Werbung bei Leuten, die sich in der Popkultur bewegen, vielleicht für Schmunzler. Für andere wirke es unpassend, da Drogenkonsum gesellschaftlich hochproblematisch sei. Und mit realem Leid assoziiert wird.
Murbach: «Insofern sehe ich die Gefahr, dass der Humor die Glaubwürdigkeit der Marke untergräbt. Gerade bei einem Alltagsprodukt, das eigentlich Vertrauen schaffen sollte.»
Polarisierende Werbung könne kurzfristig für hohe Aufmerksamkeit und Social-Media-«Peaks» in der Reichweite sorgen. Heutzutage sei das ein starker Hebel im modernen Marketing.
Im Fall der Zürcher Reinigungs-Firma möge die Kampagne kurzfristig Neugier erzeugen.
«... dann braucht es wenig, dass Aufmerksamkeit in Ablehnung kippt»
Dennoch scheint es, dass das Löschen des Videos die richtige Wahl gewesen ist.
Langfristig bestehe nämlich die Gefahr, dass sich Konsumenten, Vertriebspartner oder Handelspartner distanzieren, warnt Murbach.
Insbesondere, wenn der Eindruck entsteht, die Marke spiele leichtfertig mit gesellschaftlichen Tabus. «Dann braucht es wenig, dass Aufmerksamkeit schnell in Ablehnung kippt.»