Nach der brutalen Attacke auf einen orthodoxen Juden in Zürich stellt sich die Schweiz eine Frage: Wie hat sich der 15-jährige IS-Attentäter radikalisiert?
Juden-Hass
Der Täter (15) besorgte sich die Stichwaffe vor der Attacke offenbar in der Migros. - Siteintelgroup

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Attentäter von Zürich verbrachte offenbar einen Teil seiner Kindheit in Tunesien.
  • Spuren im Internet zeigen ausserdem, dass der Teenager schon länger radikale Gedanken hat.
  • Er verbrachte Zeit mit Videos und Accounts mit islamistischen Bezügen.
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Was trieb den 15-Jährigen zu seiner Attacke auf den orthodoxen Juden in Zürich? Wie wurde dieser Teenager, der vor 13 Jahren eingebürgert wurde und im Kanton Zürich zur Schule ging, radikalisiert? Es sind Fragen, die sich derzeit zahlreiche Menschen in der Schweiz stellen.

Nun liefert ein Bericht der «NZZ» erste Antworten auf diese Fragen. Denn die Zeitung konnte das Leben des Teenagers aufgrund von übereinstimmenden Aussagen von mehreren gut informierten Quellen und offen zugänglichen Informationen in sozialen Netzwerken erstmals stückweise rekonstruieren.

Dabei zeigt sich: Mehrere Jahre seiner Kindheit verbrachte der glühende IS-Anhänger gar nicht in der Schweiz. Zudem konsumiert er im Netz Inhalte mit islamistischen Bezügen. Doch alles der Reihe nach.

Mehrere Jahre in seiner Kindheit in Tunesien verbracht

Der spätere Attentäter von Zürich wird vor etwas mehr als fünfzehn Jahren geboren. Im Alter von drei Jahren wird er in der Schweiz eingebürgert. Neben dem Schweizer verfügt er aber auch über einen tunesischen Pass.

Die Einbürgerung erfolgt den Angaben der Zeitung nach mit der seines Vaters. Dieser war in den neunziger Jahren schon einmal mit einer Schweizerin verheiratet. Die Mutter des heute 15-Jährigen hat bis heute keinen Schweizer Pass.

Begegnen Ihnen im Netz radikale Inhalte?

Die Familie lebt zunächst am Stadtrand von Zürich in einer einfachen Wohnung eines Mehrfamilienhauses. Der Vater fährt Taxi, um den Lebensunterhalt der mehrköpfigen Familie zu finanzieren.

Messerattacke Jude Zürich
Anfang März wurde ein orthodoxer Jude in Zürich angegriffen und schwer verletzt. - Nau.ch

Familienbilder und Ferienfotos in den sozialen Netzwerken aus dieser Zeit zeigen Szenen eines vermeintlich harmonischen Familienlebens. Doch offenbar wird die Familie von Geldsorgen geplagt, weshalb die Mutter mit ihrem Sohn nach Tunesien reist.

Laut gut informierten Quellen der «NZZ» leben sie dort vier Jahre in einer Stadt im Norden Tunesiens. Der damals Achtjährige soll dort zur Schule gehen, er spricht fliessend tunesisches Arabisch.

Wichtig: Eine offizielle Bestätigung für diese Angaben gibt es bisher nicht. Es gibt laut dem Bericht aber weitere Indizien dafür, dass der junge Attentäter nicht seine ganze Kindheit und Jugend beim Vater in Zürich verbracht hat.

So hat etwa der Schulleiter des Schulkreises an dem Stadtrand von Zürich, wo die Familie wohnte, bestätigt, dass die betreffende Person nie dort zur Schule gegangen sei.

Von Mitschülern als zurückgezogen und isoliert beschrieben

Wie es weiter heisst, wurde der Jugendliche erst 2021 wieder in der Schweiz eingeschult. 2022 ziehen er und seine Familie dann vom Zürcher Stadtrand in eine Wohnung im Glatttal um. Dort besucht der spätere Attentäter die Oberstufe.

Von Mitschülern wird er als zurückgezogen oder gar isoliert beschrieben. Die «NZZ» mutmass, dass dabei auch seine sprachlichen Defizite eine Rolle gespielt haben können. Laut Aussagen von Schulkollegen verbringt er ausserdem viel Zeit im Internet und treibt sich dort in Chat-Gruppen herum. Spuren, die der Jugendliche in der digitalen Welt hinterlassen hat, bestätigen diese Aussagen.

Messerangriff Zürich
Beim Angreifer handelte es sich um einen 15-jährigen Muslimen. - Nau.ch

Während er zunächst im Internet allerlei Typisches für einen Teenager macht, wird mit der Zeit das Umfeld, in dem er sich bewegt, immer wirrer. «Es ist eine Mischung aus schrillen Videos, Accounts mit arabischen Namen und islamistischen Bezügen», heisst es in dem Bericht.

Er legt ausserdem im Internet irgendwann seinen bürgerlichen Namen ab und nennt sich «Ahmed al-Dabbah» – oder «Ahmed das Biest». Bei Dabbah handelt es sich um eine Kreatur aus dem Koran, die mit dem Tag des Jüngsten Gerichts in Verbindung steht.

Auf X mehrfach als IS-Sympathisant bekennt

Ob im Internet, in Tunesien, oder sonst wo – wie sich der 15-Jährige radikalisiert hat, das bleibt die grosse Frage. Klar ist nur, dass er immer weiter in die radikale Ecke abdriftet. Nach dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober und dem israelischen Einmarsch in Gaza, gibt sich der Teenager auf X mehrfach als IS-Sympathisant zu erkennen.

Laut der «NZZ» hat «Amhed» auf der Plattform von Elon Musk und Instagram gleich mehrere Accounts. Sie alle tragen das Wort «Brot» im Namen. «Brot» gilt als Codewort für einen Anschlag. Einen solchen beging der 15-Jährige schliesslich am 2. März.

Zürich Juden Attacke
Mario Fehr, Regierungspräsident und Sicherheitsdirektor des Kantons Zürich, links, informierte nach der Tat über die Sicherheitslage. - keystone

An diesem Samstagabend sticht er in der Stadt Zürich einen ihm vollkommen fremden orthodoxen Juden auf offener Strasse nieder. Die Tat kündigte er kurz vorher im Internet an. Er schwört in einem Bekennervideo dem Anführer des Islamischen Staats die Treue und sagt, er werde eine Synagoge überfallen und so viele Juden wie möglich töten.

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