Das Spital Wetzikon sieht in der Reduktion der Arbeitszeit ein Instrument gegen die «Branchenflucht». In der Stadt Zürich ist ein solches Modell kein Thema.
Pflegerin
Pflegende in den Zürcher Spitälern werden in nächster Zeit keine Reduktion der Arbeitszeit erleben. (Archivbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Pflegebranche herrscht ein enormer Personalmangel.
  • Das Spital Wetzikon versucht, seine Angestellten mit weniger Stunden zu behalten.
  • Bei den Spitälern der Stadt Zürich ist dieser Ansatz keine Option.
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Die Not ist gross: Bis im Jahr 2030 fehlen in der Schweiz mehr als 30’000 Pflegerinnen und Pfleger, wie eine Prognose der ​​Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC zeigt. Die Gründe für den Fachkräftemangel liegen auf der Hand: lange Schichten, schlechte Löhne und wenig Wertschätzung.

Viele Pflegerinnen und Pfleger suchen sich deshalb eine andere Arbeit, neue für den Beruf zu begeistern, ist schwierig. Das Spital Wetzikon versucht mit einem neuen Ansatz, die Angestellten zu halten. Vor eineinhalb Jahren wurde die Arbeitszeit um zehn Prozent reduziert – bei gleichbleibendem Lohn. Neu beträgt die Wochenarbeitszeit so noch 38 Stunden.

Das Spital Wetzikon versucht, die Angestellten mit weniger Stunden zu behalten. Ein gutes Modell?

Ein Zwischenfazit zeigt nun den Erfolg des Versuchs: Es habe zu messbaren Verbesserungen von Gesundheit, Wohlbefinden und Zufriedenheit der Angestellten geführt, heisst es in der Medienmitteilung. Ausserdem sei der Wunsch, zu kündigen oder den Beruf zu wechseln, zurückgegangen.

In der Stadt «nicht vorgesehen»

Um den berufsbedingten Stress zu bekämpfen, will der Zürcher Gemeinderat einen Test mit 35-Stunden-Wochen durchführen.

Damit sollen Angestellte im Schichtbetrieb, namentlich im öffentlichen Verkehr oder dem Care-Bereich, entlastet werden. Eine entsprechende Motion hat das Parlament im Januar 2023 überwiesen, aktuell ist der Stadtrat an der Ausarbeitung.

Zwei der grossen Spitäler in der Stadt Zürich wollen von einer Arbeitszeitreduktion derzeit aber noch nichts wissen.

Das Universitätsspital Zürich teilt auf Anfrage mit, man wolle zwar die Arbeitsbedingungen verbessern, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, doch ein «Arbeitszeitmodell wie am Spital Wetzikon ist nicht in Planung».

Auch das Stadtspital Zürich habe die Arbeitsbedingungen für die Pflegenden «schon seit Längerem verbessert». Zudem habe das Programm «Stärkung Pflege» die Anliegen der Pflegeinitiative sofort aufgenommen, die bessere Arbeitsbedingungen und eine Ausbildungsoffensive fordert. Eine Reduktion der Arbeitszeit sei im Stadtspital hingegen nicht vorgesehen.

Arbeitszeitreduktion kann Branchenflucht verhindern

Der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) begrüsst die Reduktion der Arbeitszeit, denn diese sei ein «sehr gutes Mittel, die Arbeitsbedingungen zu verbessern», wie die Generalsekretärin Natascha Wey mitteilt.

Derzeit verliessen monatlich rund 200 Personen den Pflegeberuf, diese Entwicklung müsse gestoppt werden. Mit der Arbeitszeitreduktion könne der Beruf attraktiver gemacht und «allenfalls kann auch die Branchenflucht» verhindert werden, so Wey.

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Hinweis: Dieser Artikel ist zuerst bei «Tsüri.ch» erschienen. Autor Simon Jacoby ist Co-Geschäftsleiter und Chefredaktor beim Zürcher Stadtmagazin.

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