Zum Schluss der obligatorischen Schule bleiben vor allem Kinder von reichen Eltern sitzen – die Gründe dafür liegen oftmals im Elternhaus.
In obligatorischen Schulen in der Schweiz bleiben vermehrt Kinder aus Akademiker-Familien sitzen. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Tausende Schüler müssen in der gesamten Schweiz jedes Jahr eine Klasse wiederholen.
  • In der Primarstufe trifft es häufig Kinder mit Migrationshintergrund.
  • In der obligatorischen Schule trifft es häufiger Kinder aus Akademikerfamilien.
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Tausende Schüler und Schülerinnen müssen in der gesamten Schweiz jedes Jahr eine Klasse wiederholen. Überdurchschnittlich trifft es Kinder mit Migrationshintergrund. Doch vor allem im letzten Jahr der Oberstufe bleiben vor allem Kinder aus gut situierten Familien sitzen – aus strategischen Motiven. Bildungsexperten blicken skeptisch auf diese Entwicklung.

Während in der Primarstufe vornehmlich Kinder mit Migrationshintergrund sitzen bleiben, zeigt sich in der obligatorischen Schule ein anderes Bild auf.

Kinder wiederholen Klasse aus taktischen Gründen

Denn im letzten Jahr der obligatorischen Schule wiederholen vor allem Schülerinnen und Schüler mit akademischem Hintergrund eine Klasse. Ihre Eltern verdienen gut, haben einen Hochschulabschluss in der Tasche und wollen offensichtlich, dass ihr Nachwuchs auch eine akademische Karriere einschlägt.

Das belegt der Bildungsbericht Schweiz 2023. Besonders häufog ereignen sich Fälle im Zusammenhang mit dem Übergang ans Gymnasium, heisst es dort. Die Teenager mühen sich also nicht noch einmal ein Jahr lang mit den gleichen Unterrichtsthemen ab, weil sie diese partout nicht begreifen. Vielmehr geht es darum, dass sie im zweiten Anlauf eine bessere Note erreichen, die das Tor zum Gymnasium doch noch öffnet – und damit einer akademischen Karriere nichts im Wege steht.

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Wallis mit höchster Quote

Das Modell trägt meistens Früchte. Besonders häufig wiederholen Teeanger im Kanton Wallis aus taktischen Gründen eine Klasse. Besonders auffällig: 80 Prozent der Repetenten landen am Ende dann dennoch auf einem Gymnasium – und können sich optimal auf ein Studium vorbereiten.

Stefan Wolter – Professor für Bildungsökonomie an der Universität Bern – ist Projektleiter des Bildungsberichts und sieht dieser Entwicklung besonders skeptisch gegenüber: «Dass Kinder aus bildungsnahen Familien im Zusammenhang mit dem Übertritt ans Gymnasium häufiger ein Schuljahr wiederholen, wirft die Frage auf, ob es richtig ist, durch die Möglichkeit des Repetierens vor allem sozioökonomisch bessergestellten Jugendlichen den Zugang zum Gymnasium zu ermöglichen», so Wolter zur Aargauer Zeitung.

Wiederholer kosten viel Steuergeld

Ein ähnliches Fazit zieht Stephan Huber, Professor und Leiter des Instituts für Bildungsmanagement und Bildungsökonomie der Pädagogischen Hochschule Zug: «Dadurch werden die Schereneffekte vergrössert und die Bemühungen um Chancengerechtigkeit gefährdet.»

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Klassenwiederholungen gehen ins Geld. Gemäss dem Bildungsbericht verschlingen sie an der obligatorischen Volksschule jährlich 300 Millionen Franken. Der Nutzen solcher Repetitionen in der Schweiz ist aber kaum erforscht.

«Es ist bildungspolitisch ein schlechter Entscheid, so viel Geld auszugeben und nicht zu wissen, was es bringt», sagt Wolter. Man müsse prüfen, ob diese Mittel nicht besser in Massnahmen investiert würden, um Repetitionen zu verhindern. Ein zusätzliches Schuljahr bedeutet nicht nur Mehrkosten für die öffentliche Hand, sondern auch ein verlorenes Jahr für den Einzelnen und damit eine Einkommenseinbusse; der Jahresmedianlohn in der Schweiz beläuft sich auf 80’000 Franken.

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