Verleger wollen Teil der Werbegelder von Tech-Giganten zurückholen
Mit einer Kampagne will der Verlegerverband Schweizer Medien Werbegelder zurückholen – durch Vertrauen in journalistische Inhalte.

Die klassischen Medien verlieren immer mehr Werbeeinnahmen an ausländische Big-Tech-Plattformen. Mit einer Kampagne will der Verlegerverband Schweizer Medien den Turnaround schaffen – und hebt dabei die höhere Glaubwürdigkeit von journalistischen Inhalten hervor.
Seit der Jahrtausendwende sind die Werbeeinnahmen in klassischen Medien eingebrochen – von rund 3 Milliarden Franken Printwerbung im Jahr 2000 auf noch gut 650 Millionen Franken. «Die goldenen Zeiten sind vorbei», sagte Verlegerverbandspräsident Andrea Masüger am Donnerstag in Zürich vor den Medien.
Ein grosser Teil der Werbung habe sich ins Internet verschoben. Das Problem dabei: Drei Viertel der Werbeausgaben von Unternehmen flössen nicht an hiesige Medienmarken, sondern ins Ausland. «Firmen im Silicon Valley und in China profitieren – das Schweizer Mediensystem leidet», erklärte Masüger.
Diese Entwicklung will der Verlegerverband Schweizer Medien (VSM) stoppen: Werbung solle nicht mehr auf «komischen Plattformen», sondern in vertrauenswürdigen Schweizer Medienmarken geschaltet werden, so das von Masüger formulierte Ziel.
Rückfluss von Werbegeldern würde Medienmarkt stärken
Wenn ein Teil der Werbegelder an klassische Medien zurückflösse, spürten das die globalen Tech-Giganten kaum, für die Schweizer Verleger sei es aber elementar. «Der Medienmarkt würde gestärkt.»
Mit einer neuen Kampagne will der VSM die Werbewirtschaft und die Konsumentinnen und Konsumenten für das Anliegen sensibilisieren. «Wer Glaubwürdigkeit will, muss zu journalistischen Medien», lautet der Slogan. Laut VSM-Vizepräsidentin und Ringier-Medien-Schweiz-Chefin Ladina Heimgartner gelten journalistische Medien als wirksames Werbeumfeld.
Diese Aussage stützt sich auf zwei vom VSM in Auftrag gegebene Studien von PWC und GFS-Zürich. Deren Fazit: Klassische Medien bieten im Vergleich zu sozialen Medien mehrere Vorteile für Werbekunden. Sowohl bezüglich Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Sympathie als auch Professionalität schneiden sie besser ab.
«Wir haben uns als klassische Medien etwas unter Wert verkauft», sagte Heimgartner. In den nächsten Wochen und Monaten soll sich dies ändern. Mit Werbebotschaften in Zeitungen, im Radio und im Fernsehen sowie auf Onlineplattformen von Schweizer Medien versucht der VSM, «einen Ruck durch die Branche zu bringen», wie Heimgartner es ausdrückte.
Journalismus stärkt Demokratie und Wirtschaft
Journalismus stärke nicht nur die Demokratie, sondern auch die inländische Wirtschaft, lautet eine der Kernaussagen. «Wir hoffen alle, dass das durchschlägt», sagte die VSM-Vizepräsidentin. Wichtig sei, dass die verschiedenen Unternehmen der Branche zusammenarbeiteten und auf die Anliegen der Werbebranche eingingen.
Laut PWC-Schweiz-Chef Gustav Baldinger haben Expertengespräche und eine Umfrage mit Marketingchefs, Agenturvertreterinnen und Werbeauftraggebenden beispielsweise gezeigt, dass bei klassischen Medien viel Potenzial bei der Wirkungsmessung von Werbung vorhanden ist.
Mit einer gemeinsamen Branchenlösung könnten Werbevermarkter crossmediale Kampagnen kombiniert buchen, Steuern und per Echtzeit-Reporting kontrollieren. Dafür müssten die Schweizer Medienhäuser die Interoperabilität ihrer Angebote sicherstellen, so Baldinger. «Verlage müssen die Messung der Werbewirkung vorantreiben.»
Zuversichtlich stimmt den Verlegerverband eine weitere Umfrage von GFS-Zürich bei rund tausend Deutschschweizer Konsumentinnen und Konsumenten. Demnach vertraut eine grosse Mehrheit klassischen Medien deutlich mehr als sozialen Medien. «Werbung in klassischen Medien wird als glaubwürdiger und weniger störend wahrgenommen», sagte Studienautorin Andrea Umbricht. Auch die Kaufbereitschaft sei in einem faktengecheckten Umfeld grösser.
Verlegerverband wirbt für Vertrauen
«Wer in einem Umfeld wirbt, das Werte wie Faktentreue und Glaubwürdigkeit lebt, stärkt seine Marke», bilanzierte Heimgartner. Genau das mache sich die Kampagne des Verlegerverbands zunutze. «Wir wollen deutlich machen, warum es sich lohnt, wieder bewusst in die Schweizer Medienlandschaft zu investieren.»
Ob dies gelingt, wird sich weisen. Auch auf der politischen Ebene wird versucht, Gegensteuer zu geben bei der Entwicklung der Werbeeinnahmen bei Medien. Grosse Onlinedienste wie Google und X sollen künftig Urheberrechtsgebühren zahlen, wenn sie kurze Auszüge aus Zeitungsartikeln anzeigen. Über das neue Leistungsschutzrecht für Medien und Medienschaffende wird bald das Parlament entscheiden.
Die Vorlage stärke insbesondere kleinere und mittelgrosse Verlage, schrieb der VSM Ende Juni. Onlineplattformen wie Google verdienten mit journalistischen Inhalten von Schweizer Verlagen Millionen.