Die Reaktionen zum zweiten Erfolg des Egerkinger Komitees mit einer islamkritischen Volksinitiative könnten unterschiedlicher nicht sein.
Walter Wobmann Burkaverbot
Nationalrat Walter Wobmann ist Mitglied des Egerkinger Komitees, welches sich für ein nationales Burkaverbot einsetzt. - Keystone

Die Sieger sprechen von einem klaren Zeichen gegen den radikalen Islam. Die Verlierer beklagen Islamophobie und nutzlose Symbol-Politik.

«Das ist ein gescheiter Entscheid des Schweizer Volkes», sagte Komitee-Präsident Walter Wobmann (NR/SO) der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Jetzt könne die Schweiz klare Regeln aufstellen, damit die Leute wüssten, dass man in der Schweiz das Gesicht in der Öffentlichkeit zeige. Mit Symbolpolitik habe das nichts zu tun. Das Verbot richte sich auch gegen Chaoten und Hooligans.

Für SVP-Parteipräsident Marco Chiesa (SR/TI) ist die Zustimmung zur Volksinitiative über das Verhüllungsverbot ein klares Zeichen gegen den radikalen Islam, gegen vermummte Chaoten und für das friedliche Zusammenleben der Menschen in der Schweiz. Auch für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sei ein Verhüllungsverbot akzeptabel.

Das Nein-Komitee hätte sich zwar über ein Nein gefreut, sagte Co-Präsident und FDP-Nationalrat Andrea Caroni. Aber er sei «extrem frohgemut» über das schlechte Resultat der Initiative. Im Vergleich zur Minarett-Initiative mit ihrem Ja-Anteil von 58 Prozent sei sie massiv eingebrochen. «Ich bin froh über diesen steil abfallenden Trend.»

Man habe noch einmal sorglos den Unmut über den radikalen Islam ausdrücken können, sagte Caroni. Aber es sei eine Scheinlösung, es werde nichts passieren, erklärte der FDP-Ständerat aus dem Kanton Ausserrhoden.

Es sei auch ein schlechtes Signal an die muslimische Gemeinschaft, teilten die SP Frauen mit. Ein Ja zur Initiative löse keine wirklichen Probleme wie Sexismus, Rassismus oder Gewalt. Man müsse aufhören, den Frauen Kleidervorschriften zu machen, sagte Co-Präsidentin und Nationalrätin Tamara Funiciello (SP/BE).

Er nehme die SVP beim Wort, sagte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (NR/AG). Er warte gespannt auf ihre Beiträge, wenn es um echte Lösungen gehe wie die Finanzierung von Frauenhäusern oder mehr Geld für die Gleichstellung. Zudem werde ein Verhüllungsverbot keinen Prediger von Hassreden abhalten.

Die Operation Libero sprach davon, die Schweiz sei zurück «im Schwitzkasten der SVP und des islamophoben Egerkinger Komitees». Die Bewegung geht von weiteren Angriffen auf die liberale Verfassung der Schweiz aus. Der knappe Entscheid zeige jedoch, dass der Widerstand gegen die «populistische Stimmungsmache auf Kosten von Minderheiten» wachse.

Das Resultat ist für die Jungen Grünen ein frontaler Angriff auf die Grundrechte und den Schutz von Minderheiten. Man werde vor Gericht gegen Anwendungsfälle der direkt betroffenen Frauen kämpfen und dafür notfalls bis nach Strassburg gehen.

Die muslimische Gemeinschaft zeigte sich in ihren Reaktionen gespalten. Diese Abstimmung sei wie bei den Minaretten auf eine bestimmte Gemeinschaft ausgerichtet gewesen, «und wir wissen nicht, was als nächstes kommt», so Pascel Gemperli, Sprecher der Förderation Islamischer Dachorganisationen in der Schweiz.

Das Resultat werde eine ziemlich ungesunde Atmosphäre schaffen. Gemperli sorgt sich um die Sicherheit der Muslime und befürchtet verstärkte Feinseligkeiten. «In Frankreich haben wir nach dem Verbot einen Anstieg der Gewalt erlebt.»

Das Resultat zur Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» signalisiere, dass es den Initianten gelungen sei, die vorherrschende Islamophobie in der Verfassung zu verankern, kommentierte der Islamische Zentralrat der Schweiz (IZRS) den Ausgang der Abstimmung. Er will die Bussen für Burka- und Nikabträgerinnen übernehmen.

Das parteiübergreifende Ja zum Verhüllungsverbot sei ein Nein zu einer totalitären Ideologie, die in einer Demokratie keinen Platz habe. Sie denke, dass dieses Signal in der Schweiz und im Ausland sehr gut verstanden werden wird, sagte dagegen die Essayistin und Gründerin des Forums für progressiven Islam, Saïda Keller-Messahli.

Für den säkularen Muslim Mohamed Hamdaoui, Mitte-Grossrat im Kanton Bern und Gründer der Kampagne «Face uncovered», ist die Abstimmung in erster Linie ein Weckruf an die Adresse der Linken. «Die Linke in Frankreich, Belgien und sogar in Grossbritannien erlebe die gleichen Spannungen. Innerhalb der linken Parteien werde eine echte Debatte werde stattfinden müssen.

Bedauern über den Ausgang äusserte auch der Schweizer Tourismus-Verband (STV). Die durch die Corona-Pandemie ohnehin schon stark leidende Branche könne nicht noch zusätzliche Erschwernisse brauchen, sagte STV-Direktorin Barbara Gisi der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Die Schweiz als offenes Gastland habe auch vollverschleierte Besucherinnen gerne empfangen. Diese kaufkräftigen Gäste aus den Golfstaaten würden nun wegbrechen. Im Kanton Tessin seien seit der Einführung des Verbotes im Jahr 2016 rund 30 Prozent weniger Gäste aus den Golfstaaten gezählt worden.

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