Im Rat der Evangelisch-reformierten Kirchen Schweiz (EKS) gibt es Unstimmigkeiten. Nach dem Rücktritt eines Mitglieds Ende April haben nun zwölf namhafte Theologinnen und Theologen einen offenen Brief mit Vorwürfen an EKS-Präsident Gottfried Locher veröffentlicht.
reformierte kirchen
Eine Person sitzt auf einer Kirchenbank. (Symbolbild) - Keystone

Im Rat der Evangelisch-reformierten Kirchen Schweiz (EKS) gibt es Unstimmigkeiten. Nach dem Rücktritt eines Mitglieds Ende April haben nun zwölf namhafte Theologinnen und Theologen einen offenen Brief mit Vorwürfen an EKS-Präsident Gottfried Locher veröffentlicht.

In dem offenen Brief vom Montag schreiben die Theologinnen und Theologen, es gebe ernstzunehmende Hinweise darauf, dass es bei besagtem Ratsgeschäft inhaltlich um Grenzverletzungen gehe: «Der Rücktritt des Ratsmitglieds, das sich genau dieses Themas angenommen hat, ist einer dieser Hinweise.»

Laut einem Bericht von Tamedia-Zeitungen vom Dienstag wird aus «inneren Kreisen der Kirche» der Vorwurf erhoben, es sei durch Locher im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zu Grenzverletzungen gekommen. Die ehemalige Angestellte Lochers habe beim EKS-Rat Beschwerde eingereicht, und zwar in präventiver Absicht, um andere Personen zu schützen. Die EKS war am Montagabend und Dienstagvormittag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Mittels einer Interpellation von Anfang Mai wollten die vier grossen Kantonalkirchen Zürich, Aargau, Bern und Waadt von der EKS wissen, ob diese und ihr Präsident Gottfried Locher noch handlungsfähig seien. Sie verlangen volle Transparenz zu den Vorgängen, heisst es weiter.

Das EKS-Präsidium teilte Mitte Mai seinen Beschluss mit, in die Traktandenliste der wegen des Coronavirus virtuell abgehaltenen Synode vom 15. Juni 2020 einen Antrag zu Fragen rund um den Rücktritt von Sabine Brändlin aus dem Rat aufzunehmen. Die Baselbieterin war bis zu ihrer Demission im Rat für Prävention von Grenzverletzungen und sexuellen Übergriffen zuständig.

«Nachdem das Präsidium der Synode festgestellt habe, dass Vorkommnisse von grosser Tragweite und Komplexität zu klären seien, werde es der Synode vorschlagen, die Einsetzung einer nichtständigen Kommission zu beschliessen», hiess es. Diese Kommission werde den Auftrag haben, alle notwendigen Untersuchungen durchzuführen und der Synode vom Juni 2021 in angemessener Form Bericht zu erstatten sowie Lösungsvorschläge zu unterbreiten.

Dazu heisst es im offenen Brief, dass der Rat nicht transparent kommuniziere, auf Zeit spiele und eine unabhängige Untersuchung umgehen wolle.

Im EKS war es Ende April 2020 zum Rücktritt eines Ratsmitgliedes gekommen. Welches Mitglied betroffen war und weshalb genau es dazu kam, wollte die Organisation damals aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes gegenüber Keystone-SDA nicht bekannt geben. Der Rücktritt stehe im Zusammenhang mit einem laufenden Geschäft, das vom Rat behandelt werde. Das Ratsmitglied sei wegen einer möglichen Befangenheit letzte Woche in den Ausstand getreten, hiess es.

EKS-Präsident ist seit 2011 der promovierte Theologe Locher. Er befindet sich gegenwärtig in der dritten Amtszeit. Seine jüngste Kandidatur im Jahr 2018 war umstritten. Er musste sich einer Kampfwahl gegen die Zürcher Pfarrerin Rita Famos stellen, auch sie hat den offenen Brief unterzeichnet.

Auch die beiden früheren «Wort zum Sonntag»-Sprecherinnen Sibylle Forrer und Catherine McMillan oder dem Verantwortlichen für die Pfarrerausbildung, Thomas Schaufelberger haben den Brief unterzeichnet. Für Locher gilt die Unschuldsvermutung.

Seit dem 1. Januar dieses Jahres treten die 24 reformierten Landeskirchen und die Evangelisch-Methodistische Kirche in der Schweiz mit dem Namen Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz auf. Die Organisation repräsentiert rund 2,4 Millionen Protestantinnen und Protestanten in der Schweiz.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

TamediaCoronavirus