Trainer in St. Galler U-Haft: Jetzt redet das mutmassliche Opfer
Eine 17-jährige Kunstturnerin hat den Cheftrainer des Regionalen Leistungszentrums Ostschweiz in Wil SG angezeigt. Er soll sie sexuell belästigt haben.

Das Wichtigste in Kürze
- Am Dienstag wurde der Cheftrainer des Kunstturn-Trainingszentrums in Wil festgenommen.
- Jetzt hat sich das mutmassliche Opfer vor die Eltern ihrer Mitturner gestellt.
- Sie hatte eineinhalb Jahre lang geschwiegen, um den Trainer und seine Frau zu schützen.
Kürzlich wurde bekannt, dass der Cheftrainer des Regionalen Leistungszentrums (RLZ) Ostschweiz in Wil SG festgenommen wurde. Der St.Galler befindet sich derzeit in U-Haft. Gegen ihn ist Anzeige erstattet worden – eine Jugendliche wirft ihm ein Sexualdelikt vor.
Am Freitag hat sich das mutmassliche Opfer den Eltern ihrer Mitturner im RLZ gestellt. Die 17-jährige Kunstturnerin wollte sich erklären und offen dazu stehen, dass sie es war, die die Anzeige eingereicht hat. «Ich habe meinen Trainer angezeigt, weil er mich sexuell missbraucht hat», sagt sie.
«Sie denken, dass ich ihn loswerden will»
Mit ihrem Geständnis stösst die Jugendliche nicht auf Mitgefühl und Verständnis. Ein Grossteil der Eltern bezichtigen sie mehr oder weniger offen der Lüge, wie das «Tagblatt» berichtet. Sie sei etwa gefragt worden, ob sie es denn beweisen könne. Oder warum sie so lange gewartet habe.
«Sie glauben mir einfach nicht. Warum sollte ich so etwas Schlimmes erfinden? Das würde ich doch nie tun.» Es ist ihr deshalb ein Anliegen, über den Vorfall zu reden – «Sie denken, dass ich ihn loswerden will».

Die Übergriffe begannen bereits, als die Turnerin 15 Jahre alt war, wie sie erzählt. Zuerst waren es nur Sprüche, später begrapschte er sie und versuchte mehrmals, sie zu küssen. Immer wieder habe er zu ihr gesagt: «I love you».
Sie habe nicht gewusst, wie er das meinte – sie vertraute ihm wie einem Vater. Allerdings habe sie immer gespürt, dass sein Verhalten nicht in Ordnung ist.
St. Galler Opfer weint beim Gedanken an Trainer in U-Haft
Zu dem Übergriff, für den die Jugendliche ihren Trainer anzeigte, kam es 2017. Er habe sie darum gebeten, ihm bei etwas zu helfen – und sie zu sich nach Hause eingeladen. Dort habe er ihr Alkohol gegeben, bis sie sich nicht mehr wehrte.
Am nächsten Tag hatte der 40-Jährige ihr gesagt, sie dürfe mit niemandem darüber sprechen. Es würde ihm und ihr schaden, wenn der Vorfall ans Licht käme. Deshalb, und weil sie ihren Trainer und seine Frau, auch eine Trainerin, schützen wollte, schwieg sie lange.

Die junge Turnerin bereut ihre Anzeige nicht. Trotzdem scheint sie mit Schuldgefühlen zu kämpfen, die durch das Unverständnis der Eltern wohl noch verstärkt werden.
Sie gibt an, beim Gedanken an ihren Trainer, der im Gefängnis sitzt, jeden Abend zu weinen. «Ich wusste, dass ich dem Betrieb an unserem Trainingszentrum schade, wenn ich es erzähle. Das wollte ich nicht.»