Mit dem Fall einer Syrerin, die 2014 bei der Rücküberführung nach Italien eine Totgeburt erlitten hatte, befasst sich heute Montag das Militärgericht in Zürich.
Ein Feldweibel des Grenzwachtkorps steht heute Montag vor dem Militärgericht.
Ein Feldweibel des Grenzwachtkorps steht heute Montag vor dem Militärgericht. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Syrerin erlitt 2014 eine Totgeburt bei einer Rückführung nach Italien.
  • Ein Feldweibel wurde zu sieben Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt.
  • Nun befasst sich heute Montag die zweite Instanz des Militärgerichts mit dem Fall.

Weder die Anklage noch die Verteidigung sind mit dem ersten Urteil zufrieden: Mit dem Fall einer Syrerin, die 2014 bei der Rücküberführung nach Italien eine Totgeburt erlitten hatte, befasst sich deshalb ab heute in Zürich die zweite Instanz des Militärgerichts.

In erster Instanz war der heute 58-jährige Feldweibel des Grenzwachtkorps wegen versuchten eventualvorsätzlichen Schwangerschaftsabbruchs sowie der einfachen Körperverletzung mit einer bedingten Freiheitsstrafe von 7 Monaten bestraft worden.

Wegen Nichtbefolgung von Dienstvorschriften erhielt er zudem eine – ebenfalls bedingte – Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 150 Franken. Vorgeworfen wurde dem Feldweibel, dass er sich am 4. Juli 2014 falsch verhalten hatte.

Totgeburt am Ende einer langen Reise

Eine Gruppe syrischer Flüchtlinge war vor dem Vorfall mit dem Nachtzug von Mailand nach Paris unterwegs und hatte dabei auch die Schweiz durchquert. An der schweizerisch-französischen Grenze verweigerte die französische Grenzpolizei 36 Syrern, darunter die in der 27. Schwangerschaftswoche stehende Frau, die Weiterreise.

Im Rahmen eines standardisierten Ablaufs wurde die Gruppe gegen 10.45 Uhr in Vallorbe VD den Angehörigen des Schweizerischen Grenzwachtkorps übergeben, die sie nach Italien zurückbringen sollten.

In Brig musste die Flüchtlingsgruppe rund zweieinhalb Stunden warten, bevor sie Platz in einem Regionalzug nach Domodossola fand. Derweil ging es der Schwangeren zunehmend schlechter. Sie klagte über Schmerzen und musste schliesslich sogar von Angehörigen zum Zug getragen werden. In Italien brachte die Frau am Abend einen nicht mehr lebenden Fötus durch eine Spontangeburt zur Welt.

Keine typischen Beschwerden

Spätestens zum Zeitpunkt, als die Schwangere zum Zug getragen wurde, hätte der Feldweibel erkennen müssen, dass es sich nicht mehr um «typische Schwangerschaftsbeschwerden» handle, hatte das Militärgericht in erster Instanz im November 2017 befunden. Der Vater von drei Kindern hätte vielmehr die Möglichkeit «einer ernsthaften Schwangerschaftskomplikation in Betracht ziehen» müssen.

Der heute 58-jährige Mann dürfte zwar unter einem nicht unwesentlichen Druck gestanden haben, die Gruppe noch am selben Tag nach Italien zurückzuführen, heisst es im Urteil, zumal es in Brig keine geeigneten Unterkunftsmöglichkeiten gegeben habe. «Dies ändert jedoch nichts daran, dass er als Führungsverantwortlicher jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte, die Rückführung auszusetzen und medizinische Hilfe anzufordern.»

Der Verteidiger des Feldweibels hatte vor der ersten Instanz einen Freispruch gefordert. Die Anklage hatte – in verschiedenen Eventualanträgen – bis zu 7 Jahre Freiheitsstrafe gefordert.

Was die beiden Seiten vor zweiter Instanz verlangen, wird sich nun in den Räumen des Zürcher Obergerichts zeigen: Das Militärappellationsgericht 2 hat für die Berufungsverhandlung zwei Tage anberaumt. Das Urteil soll am (morgigen) Dienstag eröffnet werden.

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