Thurgauer und St. Galler Gewerkschaftsbund sorgen sich um Industrie

In der Ostschweizer Industrie warnen Gewerkschaften vor Schliessungen – die Kantone bleiben gelassen.

Die Schweizer Industrie hat im ersten Quartal ein deutliches Wachstum hingelegt. (Symbolbild)
Ostschweizer Industrie unter Druck: Gewerkschaften warnen, Kantone relativieren. (Symbolbild) - sda - KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Der St. Galler und Thurgauer Gewerkschaftsbund erachten die Zahl der Betriebsschliessungen in der Ostschweizer Industrie als «besorgniserregend». Auch die Handelskammern und die Kantone St. Gallen und Thurgau weisen auf die angespannte Lage in der Industrie hin, sehen die Situation jedoch weniger drastisch.

«In den letzten Wochen wurden in der Ostschweizer Industrie Stellenabbaupläne angekündigt, die bereits mindestens 1000 Arbeitsplätze betreffen.» Das schrieben der kantonale Gewerkschaftsbund St. Gallen (SGB) und der Thurgauer Gewerkschaftsbund (TGGB) am Donnerstag in einer Mitteilung.

Wie viele Stellen in der Ostschweiz in jüngster Vergangenheit genau abgebaut wurden oder noch werden, ist zumindest bei den Handelskammern nicht erfasst. Erst am Donnerstag wurde allerdings bekannt, dass die DGS Druckguss Systeme AG die Aluminiumfertigung nach Tschechien verlagert und in St. Gallen bis Mitte des nächsten Jahres 80 der 310 Stellen verloren gehen.

Unterschiedliche Sichtweise

Der Industriekonzern SFS gab vergangene Woche bekannt, sein Werk in Flawil SG zu schliessen. Ein Teil der 110 Stellen soll nach Heerbrugg SG verlagert werden. Und eine Woche zuvor hatte der Autozulieferer Mubea aus Arbon TG angekündigt, weitere 100 Arbeitsplätze abzubauen. Bereits im vergangenen Frühling verloren dort 130 Angestellte ihre Stelle.

«Tatsächlich vermeldeten kürzlich mehrere Ostschweizer Industrieunternehmen Stellenabbaupläne», schrieb die Industrie- und Handelskammer St.Gallen-Appenzell auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Diese seien Ausdruck des herausfordernden internationalen Umfelds.

Die Auftragslage sei angespannt und die durchschnittliche Auslastung der Produktionskapazitäten sei mit knapp 80 Prozent tief. Rund ein Drittel der Ostschweizer Industrieunternehmen hätten von Überkapazitäten berichtet und rechneten für das Jahr 2026 tendenziell mit einer Reduktion des Personalbestands.

Arbeitslosigkeit bleibt stabil

Die Thurgauer Handelskammer schreibt konkret von 35 Prozent der Industrieunternehmen, die gemäss einer Umfrage eine Abnahme ihres Personalbestandes erwarteten. «Nur jedes sechste Unternehmen plant derzeit, den Personalbestand auszubauen», ergänzte die IHK St. Gallen-Appenzell.

Gleichzeitig liege die Arbeitslosenquote in der Ostschweiz bei 2,1 Prozent und damit im langjährigen Mittel. Zudem hätten mehrere Unternehmen, die einen Stellenabbau ankündigten, in den vergangenen Jahren stark in den Standort Ostschweiz investiert, schrieb die IHK St. Gallen-Appenzell.

Aufgrund der «besorgniserregenden Betriebsschliessungen» fordern die Gewerkschaftsbünde in den Kantonen St. Gallen und Thurgau gemäss ihrer Medienmitteilung die Regierungen auf, «konkret zu handeln». Unterstützung bei Innovation und Transformation sowie gezielte Förderprogramme könnten gemäss den Gewerkschaftsbünden Massnahmen sein, mit denen die Kantone unterstützen könnten.

Unterschiedliche Einschätzungen

Das Thurgauer Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) sieht die Situation hingegen nicht als besorgniserregend, auch wenn bei der Mubea weitere 100 Stellen abgebaut werden. «Zu einzelnen Entlassungen ist es auch bei anderen Unternehmen gekommen, jedoch kann dabei nicht von einem Stellenabbau im grossen Umfang gesprochen werden», hiess es auf Anfrage.

Das AWA stelle fest, dass Unternehmen eher zurückhaltend seien mit einem Stellenabbau. «Sie wissen, dass die Mitarbeitenden in der nächsten Aufschwungphase benötigt werden und sich die Rekrutierung von Fachkräften anspruchsvoll gestaltet.» Die Kurzarbeit sei zudem ein bewährtes Mittel, um Kündigungen während einer vorübergehenden Krise zu verhindern. Innovationen würden zudem bereits heute gefördert. Gegenüber industriepolitischen Interventionen sei jedoch Zurückhaltung geboten.

«Es trifft zu, dass sich die Meldungen über Betriebsschliessungen beziehungsweise den Abbau oder die Verlagerung von Stellen in den letzten Wochen und Monaten häufen», teilte das St. Galler Amt für Wirtschaft mit. Das sei jedoch kein ausschliessliches Ostschweizer Phänomen. Und: Die aktuelle Situation wirke auf den ersten Blick gravierend, sei jedoch langfristig betrachtet nicht zwingend aussergewöhnlich.

Langfristige Unterstützung

Mittels langfristiger Förderinstrumente unterstütze der Kanton St. Gallen die Unternehmen zudem bereits seit längerem und sorge für attraktive Rahmenbedingungen. «Interventionismus zugunsten einzelner Betriebe oder Branchen sind weder zielführend noch für den Kanton St. Gallen auf längere Sicht finanziell tragbar», so das Amt für Wirtschaft und Arbeit weiter.

Einer Vielzahl St.Galler Unternehmen helfe die Kurzarbeit, um Entlassungen zu vermeiden.

Kommentare

User #2802 (nicht angemeldet)

Mitte Links Politik wirkt langsam

User #2455 (nicht angemeldet)

Werden die nicht von den ganzen Super Bünzlis geführt? CEOs mit Sportwagen und jetzt plötzlich brauchts den Staat zum helfen

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a
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