Tagesvater betreut fremde Kinder: «Es läuft gut»

Riccardo Schmidlin
Riccardo Schmidlin

Bern,

Tagesväter sind in der Schweiz noch selten – doch immer mehr Männer bringen frischen Wind in die Kinderbetreuung. Der Bedarf an Betreuungsplätzen wächst.

Tagesväter
Tagesväter sind in der Schweiz noch selten anzutreffen. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Tagesväter sind in der Schweiz noch selten, erhalten aber Aufwind.
  • Männliche Tageseltern bringen nämlich einen neuen Stil in die Betreuung.
  • Schweizweit fehlen Tageseltern – trotz teils steigender Nachfrage.

Wer wegen der Arbeit nicht selbst zu seinen Kindern schauen kann, hat verschiedene Optionen: Bekannte anheuern, Kitas aufsuchen oder auf sogenannte Tageseltern setzen.

Letztere betreuen eines oder mehrere Kinder bei sich zu Hause. Sei es stundenweise, halbtags oder einen ganzen Tag lang. Regelmässig und gegen Bezahlung.

Eine nationale Pflicht für eine Ausbildung gibt es dafür nicht. Die meisten Vermittlungsorganisationen verlangen aber Erfahrungen im pädagogischen Bereich sowie eine Grundausbildung.

Noch üben vor allem Frauen den Job als Tagesmutter aus. Doch langsam fassen in der Schweiz auch erste Männer als Tagesvater Fuss.

«Mann als Tagesvater kann cool sein»

«Wir haben seit Ende 2024 den ersten Tagesvater und es läuft gut», schwärmt Esther Haldemann Zeltner bei Nau.ch. Sie ist Geschäftsführerin beim Verein Tagesfamilien Kanton Solothurn.

Ob sich Eltern bewusst für einen Mann als Betreuungsperson entscheiden, könne sie nicht beurteilen.

«Meine persönliche Meinung dazu: Ein Mann kann cool sein und einen anderen Stil in die Betreuung bringen», meint Haldemann Zeltner.

Sollten mehr Männer Kinder betreuen?

Doch manche dürften Tagesvätern gegenüber auch Vorurteile haben. «Es gibt vielleicht auch Eltern, die einen Mann infrage stellen oder Angst haben, dass er pädophil sein könnte.» Letzteres werde einer Frau weniger unterstellt.

Eine Anmeldung bei den Tagesfamilien Zürcher Oberland bezieht sich auf einen Betreuungsplatz für ein Kind und nicht auf eine Betreuungsperson. Ebenso wenig auf deren Geschlecht.

Geschäftsleiterin Isabelle Vianden sagt zu Nau.ch: «Bei der Vermittlung berücksichtigen wir Faktoren wie örtliche Nähe und die Gruppenkonstellation der bereits betreuten Kinder.» Auch allfällige besondere Bedürfnisse des Kindes oder der Familie würden berücksichtigt.

Sie sagt aber: «Wir freuen uns, dass in unserem Betreuungspool auch männliche Betreuungspersonen vertreten sind.» Egal ob Tagesmutter oder Tagesvater – entscheidend sei, dass die Betreuungsperson zum Kind und zur Familie passe.

Verband würde mehr Tagesväter begrüssen

Beim Verein Tageselternvermittlung Emmen gibt es hingegen keinen Tagesvater. Es gebe auch keine Eltern, die sich explizit einen Tagesvater statt einer Tagesmutter wünschen.

Keine Statistiken zu Tagesvätern hat der Verband Kinderbetreuung Schweiz kibesuisse. Sprecher Maximiliano Wepfer sagt aber: «Tagesväter sind in der Schweiz ausserordentlich selten.»

Und: «Grundsätzlich gilt, dass sich immer mehr Männer für die Berufe der familienergänzenden Bildung und Betreuung interessieren.»

Der Verband erachtet eine Ausgewogenheit als wichtig. «Denn Bildung, Betreuung und Erziehung ist eine Aufgabe, in der es Männer und Frauen braucht.»

Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigten, dass gemischte Betreuungsteams wichtig für eine gute Entwicklung der Kinder sind. «Kinder brauchen daher männliche und weibliche Bezugspersonen.»

Hier können Tagesväter also durchaus eine Bereicherung sein.

Unabhängig vom Geschlecht: Schweizweit gibt es keine erhöhte Nachfrage nach Tageseltern. «Auch wenn einzelne Tagesfamilienorganisationen einen Anstieg verzeichnen, ist schweizweit leider eher keine erhöhte Nachfrage auszumachen», erklärt Wepfer.

Die Gründe dafür seien vielfältig: In manchen Gemeinden sind Tagesstrukturen für schulpflichtige Kinder verbindlich und werden aktiv ausgelastet. Währenddessen wird die Betreuung in Tagesfamilien weniger subventioniert.

Tageseltern erhalten «wenig Lohn»

«Auf der einen Seite sind sie hochgradig reguliert», erklärt er mit Verweis auf den Vermittlungsprozess und die Abwicklung der Administration. «Auf der anderen Seite erhalten die Betreuungspersonen wenig Lohn.»

Konkret: Nur rund sieben Franken pro Kind und Stunde!

Ein Beispiel, das dennoch eine lokal steigende Nachfrage verzeichnet, sind die Tagesfamilien Zürcher Oberland: Dort ist die Nachfrage so gross, dass nicht alle Kinder einen Platz bei Tageseltern erhalten können.

Kibesuisse
Der Branchenverband Kibesuisse kritisiert den zu tiefen Lohn für Tageseltern. (Symbolbild) - keystone

Deren Geschäftsleiterin Isabelle Vianden relativiert denn auch den geringen Lohn. «Die meisten Tageseltern betreuen nicht nur ein Kind, sondern betreuen bis zu fünf Kinder.»

Bei fünf Kindern beträgt der Stundenlohn also 35 Franken. Hinzu kommen ein Infrastrukturbeitrag von 50 Rappen pro Kind sowie Verpflegungskosten.

Kitas und Tagesschulen hätten andere Voraussetzungen als Tagesfamilien. «Auch der Professionalitätsgrad ist durch das ausgebildete Fachpersonal anders», so Maximilano Wepfer von kibesuisse.

«Flexiblere Betreuungszeiten»

Dennoch entschieden sich Eltern häufig bewusst dafür und diese Betreuungsoption biete auch vielerlei Vorteile. «Tagesfamilien sind oft kleiner, familiärer und individueller. Gegebenenfalls besteht sogar eine persönliche Bekanntschaft», sagt er.

«Tagesfamilien bieten verlässliche Beziehungsstrukturen, ruhigere Umgebungen und flexiblere Betreuungszeiten.» Insbesondere für Eltern die unregelmässig oder an den Randzeiten arbeiten, seien Tagesfamilien daher eine gute Alternative.

Sollte der Staat die Kinderbetreuung stärker subventionieren?

Esther Haldemann Zeltner vom Verein Tagesfamilien Kanton Solothurn unterstützt dies. «Da gibt es bei Bedarf auch ein Abendessen oder ausnahmsweise auch eine Übernachtungsmöglichkeit.»

In erster Linie müsse die Chemie stimmen. «Sympathie, Werte und ähnliche Vorstellungen zu Umgang und Erziehung der Kinder sind ausschlaggebend. Wir stellen auch fest, dass es für die Eltern keine Rolle spielt, wie gut eine Tagesmutter ausgebildet ist.»

Isabelle Vianden von den Tagesfamilien Zürcher Oberland unterstreicht zudem: «Jede Tagesfamilie wird gemäss den Bedürfnissen von Eltern und Kind sorgfältig ausgesucht. Ein Kennenlernen findet immer im Beisein der Fachfrau Begleitung statt.»

«Es gibt zu wenige Tageseltern»

Auch auf dem Land ist der Bedarf an Tageseltern hoch – dennoch fehlt es der Schweiz insgesamt an genügend Betreuungspersonen. Kibesuisse beobachtet sogar eine rückläufige Tendenz.

«Wenn die langjährigen Betreuungspersonen demnächst in Pension gehen, werden diese fehlen», warnt Maximiliano Wepfer. «Das Bedürfnis nach Betreuung in Tagesfamilien ist weiterhin vorhanden. Doch es gibt zu wenige Tageseltern, um der Nachfrage auch künftig gerecht zu werden.»

Um diesem Mangel entgegenzuwirken, will der Verband die Attraktivität des Berufs steigern. Etwa durch eine verstärkte Professionalisierung oder die Einführung eines nationalen Mindeststandards.

«Am wichtigsten ist jedoch, dass die Tagesfamilienorganisationen den Betreuungspersonen einen zeitgemässen, fairen Lohn bezahlen können», betont Wepfer.

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