Personen, die mit Kopfhörern an den Infoständen vorbeirennen, gehören an fast jedem Bahnhof zum Strassenbild. Die Werbung lohnt sich für die NGOs aber dennoch.
Umfrage an den Bahnhöfen
Wie gelingt es den NGOs in Zeiten der Kopfhörer-Gesellschaft, mit Menschen in Kontakt zu treten? - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Spenderinnen und Spender zu finden, ist schwieriger geworden.
  • Das bestätigt die Corris AG. Die Firma führt Kampagnen für NGOs durch.
  • Sie übernimmt auch zahlreiche Strassenwerbungen an Schweizer Bahnhöfen.
  • Die Kopfhörer-Gesellschaft sei nicht das Problem für die sinkende Gesprächsbereitschaft.
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«Sorry, häsch schnell e Minute?» Eifrig schütteln gestresste Menschen den Kopf und zeigen auf die Kopfhörer. Andere wiederum bleiben stehen und suchen das Gespräch mit den Mitarbeitenden. Diese Situation trifft man gerne an, wenn NGOs ihre Anliegen über Informationsstände an die Bevölkerung tragen.

So geschehen wieder kürzlich am Bahnhof Altstetten in Zürich. Fragt sich, wie zeitgemäss Strassenwerbung noch ist, wenn doch so viele Menschen mit Kopfhörern herumlaufen. Hört überhaupt noch jemand zu?

Der Augenkontakt wird in der Regel vermieden

Die Corris AG bietet schweizweit Fundraising-Dienstleistungen an. Das Unternehmen betreut aktuell Stände für 28 verschiedene NGOs. Etwa die Tierschutzorganisation Vier Pfoten, das Hilfswerk Caritas oder die Kinder- und Jugendlichen-Stiftung Pro Juventute. Sie führen auch die Kampagnen an Infoständen durch und kennen die Situation somit aus dem Effeff.

Pendler beim Bahnhof Altstetten
Der Bahnhof Zürich Altstetten ist nur einer von über 1000 Standplätzen, die für Strassenwerbung genutzt werden.
Menschen zeigen Gesprächsbereitschaft
«An Bahnhöfen passieren viele Personen. Viele von ihnen haben kurz Zeit, um für ein Gespräch stehenzubleiben», sagt Corris-Sprecherin Sprecherin Paula Smelko.
NGO sind auf Spenden angewiesen.
Für die Corris AG steht fest: «Eine authentische und respektvolle Kommunikation ist die beste Grundlage für jede Interaktion.»

Und sie widersprechen: «In der Praxis hat das Tragen von Kopfhörern wenig Einfluss. Darauf, ob jemand bereit ist, sich über eine NGO zu informieren», sagt Sprecherin Paula Smelko.

Grund: Die Kommunikation fange gar nicht mit Worten an. Die Körpersprache und der Augenkontakt seien entscheidend. Wenn mit diesen Aspekten eine gewisse Offenheit signalisiert werde, dann erfolge der Kontakt.

«Personen, die zum Gespräch bereit sind, nehmen dann auch die Kopfhörer ab.» Die Tatsache der Kopfhörer-Gesellschaft spiele deshalb nur eine untergeordnete Rolle. Ein Augenkontakt, der vermieden werde, sei ein wesentlich deutlicheres Signal als das Tragen von Stöpseln.

Was halten Sie von Strassenwerbung? Bleiben Sie für ein Gespräch stehen?

Die Mitarbeitenden werden auch nicht speziell geschult, um mit «Smartphone»-Zombies umzugehen. Also mit jenen vorbeiziehenden Personen, die aufs Handy schauen. Freundlichkeit und Respekt seien laut Corris die wichtigen Zutaten, damit die Kommunikation über eines ihrer zahlreichen Projekte gelinge.

Verunsicherung lässt Spendenbereitschaft sinken

«Der Grundsatz, der unsere Kommunikation leitet, ist die Höflichkeit. Diese halten wir in jedem Gespräch unabhängig vom Kontext hoch», so Paula Smelko weiter.

Spenden zu sammeln, wird aber immer schwieriger. Die Daten zeigen, dass es «generell herausfordernder geworden ist, neue Unterstützer*innen zu gewinnen», so Smelko. Einen Grund sieht Corris in der hohen Anzahl an Möglichkeiten, die Menschen für das Spenden haben.

«In der Schweiz besteht nach wie vor eine hohe Spendenbereitschaft. Die Vielfalt führt aber zu einer gewissen Fragmentierung der Aufmerksamkeit und Ressourcen», so die Expertin.

Die aktuelle Weltlage haben zudem zu einer Verunsicherung bei vielen Menschen geführt.

Persönlicher Kontakt ist der Schlüssel zum Erfolg

Und doch, so Smelko, würden die einzelnen Spendenbeträge steigen und die Zahl der einmaligen Spenden zunehmen.

Fest steht also: Die Infostandwerbung stellt nach wie vor eine effektive Methode dar, um Menschen zu erreichen. Der Schlüssel zum Erfolg liege im persönlichen Kontakt. «Bei dieser Art von Werbung stehen Menschen und ihre Emotionen im Vordergrund. Dies im Gegensatz zu digitalen Plattformen, auf denen Algorithmen darüber entscheiden, welche Inhalte wir sehen.»

Strassenwerbung würde den Passanten die Möglichkeit geben, selbst zu bestimmen, ob und wie sie angesprochen werden möchten. Diese Form der Interaktion, bei der Menschen mit Menschen kommunizieren, bleibe unangefochten die stärkste Art von Werbung.

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