Stadt Zürich will eine neue Erinnerungskultur
Ab 2027 plant die Stadt Zürich, ihre Geschichte breiter zu präsentieren und in der Erinnerungskultur auch Frauen sowie Migranten zu berücksichtigen.

Die Stadt Zürich will ihre Vergangenheit vielfältiger präsentieren. Statt reicher weisser Männer sollen auch Frauen und Migranten Platz in der Erinnerungskultur finden. Ab 2027 soll die Arbeit starten.
Der Stadtrat beantragt jährliche Ausgaben von 375'000 Franken, wie Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) an Montag vor den Medien sagte. Darin enthalten seien etwa die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Akteure oder eine neue Fachstelle. Diese soll dabei eher koordinierend wirken und rund 200 Stellenprozente umfassen.
Auch eine externe Fachkommission will Zürich einrichten. Das Stadtparlament muss noch über den Antrag entscheiden. Das wird voraussichtlich im Frühling 2026 passieren.
Mauch präsentiert Strategie
Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) stellte die Strategie an einem exemplarischen Ort vor, dem Schauplatz Brunngasse in der Altstadt, ein Museum, das an die jüdische Vergangenheit erinnert. Solche privat gestarteten Initiativen will die Stadt auch finanziell unterstützen.
Auch der seit 1991 existierende Frauenstadtrundgang gehört dazu. Ein Teil des Beitrags, 125'000 Franken, sollen für zivilgesellschaftliche Projekte zur Verfügung stehen.
Die Strategie geht unter anderem auf Diskussionen um die koloniale Vergangenheit Zürichs zurück. So kam die Forderung auf, Alfred Eschers Denkmal vor dem Hauptbahnhof zu entfernen, weil er über seine Familie von Sklaverei profitiert habe.
Auch die geplante Abdeckung zweier Hausinschriften mit dem als diskriminierend empfundenen Wort «Mohr» sorgte für grosse Debatten. «Bei dem Entscheid wurde die heutige, rassistische Wirkung auf Menschen berücksichtigt», sagte Mauch.
Kontext statt Entfernung von Denkmälern empfohlen
Eine Entfernung von Denkmälern, Strassennamen oder Darstellungen solle im Härtefall geprüft werden, empfiehlt der Bericht. Zwar wird darin Eschers Denkmal wiederholt erwähnt, allerdings nicht als Härtefall. Die Regel soll eine Kontextualisierung, beispielsweise über QR-Codes sein.
Die Abdeckung der Inschriften ist hingegen beschlossen. Der Heimatschutz scheiterte mit der Opposition auf juristischem Weg.
Generell würden monumentale, heroisierende Verdienstdenkmäler von einzelnen Personen als nicht mehr zeitgemäss gelten. Dies vor dem Hintergrund eines multiperspektivischen, kritisch-analytischen Geschichtsverständnisses.
Zürich prüft Anpassung von Strassennamen
Überarbeiten will Zürich auch die Bezeichnung von Strassennamen. Zuletzt sorgte sie mit dem Rosa-Luxemburg-Platz für Aufsehen. «Kontroversen gehören dazu», meinte die Stadtpräsidentin am Montag.
Die Erinnerung repräsentiere bisher vorwiegend die «patriarchal geprägte Gesellschaft des 18. bs 20. Jahrhunderts» heisst es im Bericht. So tragen nur zehn Prozent der nach Menschen benannten Strassen Namen von Frauen.
Zürich ist nach eigenen Angaben die erste Stadt in der Schweiz, die eine Erinnerungskultur schafft. In Deutschland sei dies weiter verbreitet. Die Stadt Zürich könnte auch eine neue Stadtgeschichte erhalten. Ob eine Erarbeitung zielführend ist, muss der Stadtrat aber noch entscheiden.






