Weihnachtsmarkt

Schnitzer klagt: Weihnachtsmarkt-Besucher wollen nur Essen

Bettina Zanni
Bettina Zanni

Zürich,

Ein Zürcher bietet auf einem Weihnachtsmarkt erfolglos Schnitzereien an. Gefragt seien nur Food-Stände, klagt er. Der Marktverband sieht darin auch Vorteile.

Weihnachtsmarkt
Auf Food-Stände trifft man an Weihnachtsmärkten an jeder Ecke – zum Frust eines Markthändlers. - pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • Weihnachtsmarktbesucher wollten nur essen und Alkohol trinken, behauptet ein Schnitzer.
  • Deshalb kündigt er an, auf Weihnachtsmärkte künftig zu verzichten.
  • Eine Schmuckverkäuferin stellt anderes fest: «Die Leute wollen Handwerk.»

Enttäuscht hat N.R.* seine Sachen zusammengepackt. Am Wochenende stellte er seine Holzschnitzereien aus.

Der kleine Weihnachtsmarkt fand in einem Dorf im Kanton Zürich statt. Den Namen des Markts, den der Zürcher grundsätzlich schätzt, will er nicht veröffentlicht haben.

«Nur die Stände, die Essen und Trinken anbieten, machen ein gutes Geschäft», klagt er in einem Facebook-Post.

«Bei mir war es ein wenig mehr als die Standmiete.» Für den Marktstand verlangte die Gemeinde eine Miete von 50 Franken.

Der Schnitzer bezeichnet den Ertrag als «doch eher enttäuschend». Schliesslich habe er sich monatelang darauf vorbereitet und sich bemüht, tolle Schnitzereien anzubieten.

Schnitzer geht nicht mehr an Weihnachtsmarkt

Gegenüber Nau.ch will sich R. am liebsten nicht mehr weiter dazu äussern – zu gross ist der Frust.

Er sei immer noch so enttäuscht darüber, wie es gelaufen sei, sagt er. «Dass ich jetzt – wie andere auch – aufgebe.»

Er nehme am Weihnachtsmarkt nicht mehr teil. «Auch nicht, wenn es gratis wäre.» Es sei schade um die vergebliche Arbeit.

Besuchst du den Weihnachtsmarkt zum Essen?

«Ich werde vermutlich alle meine geschnitzten Weihnachtsartikel an Pflegebedürftige verschenken», sagt R. Die Marktbesuchenden wollten nur Essen und Alkohol trinken, behauptet er.

«Der Rest ist nicht wirklich interessant.» Zu diesem Schluss kommt er nach seiner dritten «und letzten» Marktteilnahme.

«Sie sagen: ‹schön, schön, schön›»

Nicht ans Aufgeben denken andere traditionelle Markthändler.

Bunte Kerzen in Form von Seerosen bietet ein Stand am «Polarzauber» an, dem Weihnachtsmarkt am Zürcher Hauptbahnhof an. «Das ist alles handgemacht», sagt der Standbetreiber, der anonym bleiben will. Seine Frau stelle die Kerzen her.

Doch kommen sie auch weg?

«Viele Leute schauen vorbei und sagen: ‹schön, schön, schön›», sagt der Standbetreiber. «Aber oft kaufen sie nichts.»

Nachdenklich fügt auch er an: «Heute ist der Weihnachtsmarkt nur noch ein Food-Event.» Früher sei der Weihnachtsmarkt am Hauptbahnhof noch traditionell gewesen. «Jetzt gibt es an jeder Ecke einen Essensstand.»

Tatsächlich bieten am «Polarzauber» von knapp 100 Ständen über 30 süsse oder salzige Speisen an.

Dennoch lohne sich sein Geschäft. «Wir sind seit vielen Jahren hier und haben uns etabliert.»

«Es besteht ein Überangebot an Food-Ständen»

Sandra Fehlbaum verkauft einige Meter weiter Schmuck. «Ich hatte früher mehr Konkurrenz», sagt sie. Sie profitiere vom Trend zu Food-Ständen.

«Die Leute wollen Handwerk – jeder zweite Kunde bedauert, dass hier nur noch Essen angeboten wird.»

Auch sei es doch unangenehm, an einem Markt mit Essen herumzustehen, findet sie. «Also, ich will mich zum Essen auch lieber hinsetzen.»

Der Schweizerische Marktverband bestätigt, dass Essensangebote auf Schweizer Märkten zugenommen haben.

«Es besteht ein Überangebot an Food-Ständen», sagt Verbandssekretärin Esther Frei zu Nau.ch. Überall würden Hamburger, Raclette, Thai-Food, Crêpes und Churros verkauft. «Wer einen Food-Stand aufstellen will, muss um einen Platz kämpfen.»

Standbetreiber hätten falsche Erwartungen

Der Boom von Essens-Anbietern macht laut Frei den anderen Markttreibenden das Geschäft aber nicht kaputt.

«Gerade, weil man kein Essen anbietet, hat man gute Chancen, aufzufallen», sagt sie. Zudem seien Produkte «zum Anfassen» heute, wo vieles online bestellt werden könne, gefragt.

Dennoch beobachtet Frei immer wieder Standbetreiber, die «sang- und klanglos verschwinden».

Diese hätten falsche Erwartungen. «Viele kommen und haben das Gefühl, sie würden von Kunden überrannt.» Doch mit dem Angebot müsse man sich zuerst einen Namen machen und am besten auf bestimmte Produkte spezialisieren.

«So kann man sich eine Stammkundschaft aufbauen, die vorbeikommt, weil sie genau diese Produkte will.»

Langjährige Standbetreiberin: Es braucht Durchhaltewillen

Auch Jolanda Heimann weiss, dass der Aufbau eines Marktgeschäfts kein Zuckerschlecken ist. Seit 25 Jahren bietet sie am Weihnachtsmarkt im Zürcher Hauptbahnhof Deko-Artikel aus Glas in allen Formen und Farben an.

«Jung und Alt haben Freude an der farbigen Welt am Stand», sagt sie. Aber es brauche viel Durchhaltewillen.

Familie und Beruf forderten im Alltag heraus, sagt Heimann. «Das Problem ist, dass es sich viele Leute darum nicht mehr leisten können, mehrere Wochen hinter einem Stand zu stehen.»

Als sie noch berufstätig gewesen sei, habe sie ihre sämtlichen Ferien für den Markt genutzt. Aber: «Die vielen Komplimente und leuchtenden Augen der Kinder machen den Krampf wett.»

*Name der Redaktion geändert.

Kommentare

User #5424 (nicht angemeldet)

Er soll den Bund für Direktzahlungen anfragen. Normalerweise hat man da gute Chancen wenn man am freien Markt vorbei porzudiert.

User #1515 (nicht angemeldet)

Was bekommt man, wenn man Spaghetti um einen Wecker wickelt? Essen rund um die Uhr.

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