Im Stadtbasler ÖV gibt es seit Januar sogenannte Rollstuhltaxis. Doch selbst diese Ersatzlösung wäre laut Behindertenverband schon seit Jahrzehnten fällig gewesen.
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In Basel-Stadt, aber auch in der ganzen Schweiz können viele Menschen mit Behinderung den ÖV nicht selbstständig nutzen. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Acht Prozent der Basler ÖV-Haltestellen sind für eingeschränkte Personen nicht nutzbar.
  • Deshalb gibt es seit Januar Rollstuhltaxis, um der Bundesgesetzgebung Folge zu leisten.
  • Dieser Shuttle transportiert behinderte Menschen von und zu einer grösseren Haltestelle.
  • Der Verband «Inclusion Handicap» kritisiert die späte Einführung dieser Ersatzmassnahme.
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Seit dem 1. Januar bietet der Kanton Basel-Stadt einen Ersatztransport für mobilitätseingeschränkte Personen an – sofern eine ÖV-Haltestelle unzugänglich ist. Dies teilte gestern das Basler Bau- und Verkehrsdepartement (BVD) mit.

Die sogenannten Rollstuhltaxis können von behinderten Menschen bei Bedarf angefordert werden. Daraufhin wird man mit dem Shuttle von der nicht zugänglichen zu einer grösseren Haltestelle mit Umsteigemöglichkeit chauffiert. Das Ganze funktioniert auch umgekehrt und ist mit einem gültigen ÖV-Ticket kostenlos, wie es weiter hiess.

Kanton handelt auf Druck des Gesetzes

Grund für diese Massnahme ist das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes (BehiG) aus dem Jahr 2004. Es schreibt vor, dass ab dem 1. Januar 2024 sämtliche ÖV-Haltestellen so ausgestattet sein müssen, dass eingeschränkte Fahrgäste ohne Hilfe ein- uns aussteigen können.

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Acht Prozent der Basler ÖV-Haltestellen sind für mobilitätseingeschränkte Menschen überhaupt nicht zugänglich. (Symbolbild) - keystone

An rund acht Prozent aller Basler Haltestellen können behinderte Personen aktuell nicht einmal mithilfe einer Klapprampe oder des Personals zusteigen. Für diese Stationen ist die Nutzung der neuen Rollstuhltaxis vorgesehen.

«Inclusion Handicap»: Ersatzmassnahme hätte 20-Jahre-Frist überbrücken sollen

Der Dachverband der Schweizer Behindertenorganisation «Inclusion Handicap» kritisiert den Kanton für die langsame Umrüstung. Auf Nau.ch-Anfrage sagt die Leiterin Abteilung Gleichstellung, Caroline Hess-Klein: «Obschon der Kanton und die Gemeinden gemäss BehiG 20 Jahre Zeit hatten, um ihre Infrastruktur anzupassen, ist ihnen dies nicht gelungen.»

Eine solche Ersatzmassnahme, wie sie erst jetzt eingeführt wurde, hätte eigentlich dazu dienen sollen, die 20-jährige Frist zu überbrücken, so Hess-Klein. Diese Pflicht habe schon seit 2004 bestanden. Aber auch da – neben der eigentlichen Umgestaltung der Haltestellen – gebe es eine «enorme Verspätung».

Als Grund für die langsame Anpassung der Haltestellen nennt das Basler BVD in seiner Mitteilung ökologische, aber auch finanzielle Bedenken. Haltestellen würden nur dann umgebaut, wenn eine Strasse oder ein Platz ohnehin saniert werden müsse.

«Inclusion Handicap»: Rollstuhltaxis sind «besser als nichts»

Was den Nutzen des neu eingeführten Shuttledienstes angeht, ist der Dachverband ebenso skeptisch. «Solche Ersatzlösungen sind besser als nichts. Aber sie sind keineswegs mit einem zugänglichen ÖV zu vergleichen und entsprechend auch keine langfristige Lösung.»

Finden Sie, dass mehr für die Gleichstellung von behinderten Menschen gemacht werden muss?

Aufgrund der Pflicht, eine Fahrt mindestens zwei Stunden im Voraus anzumelden, könne das Taxi nicht spontan genutzt werden. Reisen werden so für eingeschränkte Personen «verkompliziert und verlängert», wie die Juristin weiter erklärt.

Zusätzlich weist Hess-Klein darauf hin, dass der Kanton bei der Ausarbeitung dieser Massnahme gemäss Gesetz verpflichtet war, betroffene Menschen sowie entsprechende Organisationen miteinzubeziehen. Das BVD sagt dazu gegenüber Nau.ch, dass die Rollstuhltaxis ein schweizweites Angebot der SBB seien, an dem sich der Kanton lediglich beteilige.

Behindertenverband fordert neuen gesetzlichen Rahmen

«Inclusion Handicap» fordert auf Bundesebene eine Nachfolgelösung für die abgelaufene Frist des BehiG. Ein gesetzlicher Rahmen sei «dringend nötig», um sicherzustellen, dass auch behinderte Menschen den ÖV nutzen können.

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