Auch in diesem Jahr dürften die Mieten in der Schweiz weiter steigen. Von einer Erhöhung des Referenzzinssatz am Mittwoch wären zudem erstmals auch langjährige Mieterinnen und Mieter betroffen. Experten rechnen indes erst ab Sommer mit einem Anstieg.
Mietwohnungen
Mietwohnungen in der Schweiz werden immer weniger. (Symbolbild) - AFP/Archiv

Ein Dach über dem Kopf kostet in der Schweiz immer mehr. Laut dem Immobiliendienstleister Wüest Partner dürften die Angebotsmieten in diesem Jahr angesichts des Wohnungsmangels nochmals um 2 Prozent steigen.

Aber auch die Bestandsmieten von langjährigen Mieterinnen und Mietern könnten in diesem Jahr teurer werden. Am Mittwoch informiert das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) über die Entwicklung des mietrechtlich massgebenden Referenzzinssatzes. Falls dieser steigt, dürfen Vermieter die Miete erhöhen.

Bei Einführung im Jahr 2008 hatte der Satz 3,5 Prozent betragen. Seit seiner Existenz ist er bisher nur gesunken, zuletzt im März 2020 von 1,5 Prozent auf den aktuellen Wert von 1,25 Prozent.

Ob und wann sich der hypothekarische Referenzzinssatz für Wohnungsmieten erhöht, darüber sind sich Experten indes uneinig. Bei Wüest Partner heisst es, dass «im Verlauf des Jahres» mit einer Erhöhung zu rechnen sei. Die Immobilien-Experten der UBS gehen auch davon aus, dass der Referenzzins in der ersten Jahreshälfte 2023 angehoben wird, «mit grösster Wahrscheinlichkeit aber erst in Juni», wie die Grossbank auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP mitteilte.

Die Immobilien-Experten von Raiffeisen sehen es ähnlich: «Gemäss unserem Modell wird es für den 1. März noch nicht reichen», sagt Raiffeisen-Ökonom Francis Schwartz. Bei Raiffeisen rechnet man mit der ersten Erhöhung des Hypothekarischen Referenzzinssatzes am 1. Juni 2023. Damit könnten aus mietrechtlicher Sicht die Vermieter den Mietzins frühestens auf den 1. Oktober 2023 erhöhen.

Noch etwas später geht die Zürcher Kantonalbank von einer Anhebung aus: «Wir erwarten die Erhöhung des Referenzzinssatzes erst im Herbst 2023», teilte Ursina Kubli, Leiterin Immobilien-Research der ZKB, auf Anfrage mit.

Beim BWO selbst gibt man sich vorsichtig. Anfangs Dezember sagte Direktor Martin Tschirren anlässlich der letzten Publikation des Referenzzinssatzes, dass das BWO «aller Voraussicht nach» im 2023 den Referenzzinssatz erhöhen dürfte. Zudem könnte ein weiterer Schritt im Jahr 2024 folgen. «Prognosen dazu abzugeben, ist aber äusserst schwierig», schränkte der BWO-Direktor damals ein.

Treiber für die zu erwartende Erhöhung ist die von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) eingeleitete Zinswende und die damit verbundenen Zinstrends am Hypothekarmarkt. Denn der Referenzsatz orientiert sich am vierteljährlich von der SNB berechneten Durchschnittszins auf inländische Hypothekarforderungen.

Damit das BWO den Referenzzinssatz auf 1,5 Prozent anhebt, müsste der Durchschnittssatz mindestens auf 1,375 Prozent steigen. Davon war er Ende letzten Jahres mit 1,18 Prozent noch ziemlich weit entfernt. Die entscheidende Frage ist also, in welchem Umfang der Durchschnittssatz seither gestiegen ist.

Dabei wären nicht alle Mieterinnen und Mieter im gleichen Umfang von steigenden Mieten betroffen. Teilweise beruhen die Mieten noch auf höheren Zinssätzen, weil etwa Mietsenkungen nicht eingefordert wurden. Laut den Experten der UBS dürften zudem nicht alle Vermieter angesichts steigender Nebenkosten und tiefere Kaufkraft der Mieterschaft ihren Anspruch durchsetzen wollen.

Laut dem jüngsten «Immo-Monitoring» von Wüest Partner basieren indes schweizweit mehr als die Hälfte der Mietverträge auf dem aktuellen Referenzzinssatz von 1,25 Prozent. Doch die regionalen Unterschiede seien gross. Während es in der Region Genfersee nur rund ein Drittel der Mietverträge auf dem aktuellen Satz beruhe, seien es in der Ostschweiz fast zwei Drittel.

Als konkretes Rechenbeispiel gilt: Sollte der Zinssatz auf 1,50 Prozent steigen, ist mit einer Mietzinserhöhung von 3 Prozent zu rechnen. Bei einer Monatsmiete von 2000 Franken also mit 60 Franken.

Zudem dürfen Vermieter auch unabhängig vom Stand des Referenzsatzes etwa inflationsbedingte Kostensteigerungen auf die Miete draufschlagen. Bei einer Inflation von 3 Prozent sei etwa mit Mietzinssteigerungen von bis zu 1,2 Prozent auszugehen. Hinzu kommen steigende Energiekosten, die zu höheren Nebenkosten führen.

Und es könnte noch schlimmer kommen: Normalisiert sich der hypothekarische Referenzzinssatz in den nächsten Jahren – wie von der UBS prognostiziert – auf einem Niveau von 2,5 Prozent, so könnten die Mieten bis 2025 «je nach Inflationsrate» um rund 20 Prozent angehoben werden.

Die Experten der Grossbank stellen aber hinter diese Prognose auch grosse Fragezeichen. Denn bei einer solchen Aufwärtsbewegung dürfte das Konzept des Referenzzinssatzes nach Ansicht der UBS-Experten zunehmend hinterfragt werden: «Eine Reformierung bis hin zur Abschaffung des Referenzzinssatzes liegt also in absehbarer Zukunft durchaus im Bereich des Möglichen», lautete damals das Verdikt.

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