Vor rund zwei Wochen wurden Missstände an der Tanzakademie Zürich publik. Nun zeigt sich: Auch Schmerzen und Verletzungen wurden von Lehrpersonen ignoriert.
Tanzakademie Zürich
Mehrere Studierende an der Tanzakademie Zürich haben Missbrauchsvorwürfe erhoben. (Archivbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ex-Schüler haben Missstände an der Tanzakademie Zürich publik gemacht.
  • Neben Erniedrigung oder dem Zwang zum Abnehmen hätten Schüler verletzt trainieren müssen.
  • In gewissen Fällen riskierten die Betroffenen deswegen bleibende körperliche Schäden.

Erniedrigung, Gewalt oder der Zwang zum Abnehmen: So schilderten vor rund zwei Wochen 13 Ex-Schüler der Tanzakademie Zürich (TaZ) dem Magazin «die Zeit» die Zustände an der Ausbildungsstätte.

Doch die Missstände an der TaZ sind offenbar noch grösser als bisher angenommen, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet. Demnach ignorierte die Tanzakademie Schmerzen der Schülerinnen und Schüler sowie ärztlich angeordnete Zeitspannen für die Genesung von Verletzungen.

Bleibende Verletzungen drohten

«Als mein Sohn über Schmerzen im Oberschenkel klagte, gab ihm die Vertrauensärztin der TaZ Schmerzmittel, ohne uns Eltern darüber zu informieren», sagt ein Vater der Zeitung. Dem jungen Tänzer drohten deswegen schwere körperliche Schäden. Ein Orthopäde diagnostizierte einen Riss im Hüftgelenk, der hätte eine bleibende Gehbehinderung auslösen können.

Eine Mutter einer Studentin, die bis 2018 an der TaZ war, erzählt, dass sich die Kapsel im Sprunggelenk ihrer Tochter vollständig aufgelöst hatte. «Ein externer Orthopäde sagte, normalerweise könne ein Mensch mit dieser Verletzung nicht mehr laufen.» Ihre Tochter trainierte aber weiter.

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Offenbar war für Studierende die Angst, von der Tanzakademie Zürich zu fliegen, grösser als die Schmerzen. (Archivbild)
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Die beiden TaZ-Leiter Oliver Matz und Steffi Scherzer stammen aus der ehemaligen DDR.
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Ein Ex-Student erzählt der «NZZ am Sonntag, dass er das Examen mit stechenden Schmerzen in der Ferse getanzt habe und danach operiert werden musste. (Archivild)
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Die aus einer Ärzteschaft und Psychologinnen bestehende Schweizerische Gesellschaft für Essstörungen bat 2017 die TaZ-Leitung zum Gespräch, weil sich bei deren Studierenden Essstörungen häuften. (Archivbild)

Die Eltern erzählen zudem von einem Magendurchbruch eines ehemaligen Absolventen nach jahrelangem Medikamentenkonsum. Oder von einer ehemaligen Studentin, die wegen Untergewichts mit 22 Jahren noch keine Menstruation hat. «Man verlässt nicht wegen Schmerzen das Training», soll TaZ-Leiterin Steffi Scherzer einem Studenten gesagt haben.

Studierende mit Verletzungen seien zur Vertrauensärztin der Akademie geschickt worden. Meist seien ein Röntgenbild erstellt und Schmerzmittel verabreicht worden. Wenn die Ärztin eine Zeitspanne für die Genesung empfohlen habe, habe die Schulleitung Studierenden oft nahegelegt, vor Ablauf dieser Periode «zu probieren, ob es schon geht». Das sei aber eher einem Marschbefehl gleichgekommen.

«Wenn sich Rennpferde verletzen, werden sie eben erschossen»

Ein Ex-Student vergleicht den Leistungsdruck an der Akademie mit dem Umgang mit Rennpferden: «Wenn sich Rennpferde verletzen, werden sie eben erschossen.» Wer nicht Höchstleistungen erbracht habe, sei aussortiert worden.

Ein anderer Student berichtet von einem Erlebnis mit TaZ-Leiter Oliver Matz. Dieser habe einmal eine Geste gemacht, als würde er einen Ast brechen, und dabei gesagt: «Ich muss dich brechen.»

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Laut einem Ex-Studenten sollen von den sieben Schülern in seiner Klasse am Ende des ersten Lehrjahres nur zwei das Examen absolviert haben, da die anderen zu stark verletzt gewesen seien. (Archivbild) - Keystone

«Die neuen Vorwürfe machen uns betroffen», sagt die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) gegenüber der «NZZ am Sonntag». Eine Anwaltskanzlei werde die Vorwürfe in den kommenden Monaten extern prüfen.

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Dabei werde auch abgeklärt, «inwiefern Informationspflichten eingehalten und Situationen von verantwortlichen Personen adäquat eingeschätzt wurden». Laut ZHdK gehe TaZ-Leiterin Scherzer Ende Juli in Rente.

Auch die Vertrauensärztin arbeite laut «NZZ am Sonntag» mittlerweile nicht mehr in der bisherigen Praxis. Doch für die betroffenen Studierenden kommt das zu spät.

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