Macht die Quarantäne-Gnadenfrist des BAG Sinn?
Der Bund gibt Reisenden quasi eine Gnadenfrist, noch vor dem Eintreten der Quarantänepflicht in die Schweiz zurückzukehren. Macht das wirklich Sinn?

Das Wichtigste in Kürze
- Seit Donnerstag sind auch Mallorca, Menorca und Ibiza auf der Risikoliste des Bundes.
- Epidemiologe Marcel Salathé findet die Gnadenfrist bis zum Inkrafttreten eine faire Sache.
- Auch Marcel Tanner, Mitglied der Covid-19-Task-Force, schliesst sich dieser Meinung an.
Am Dienstag kündigte der Bund an, die Balearen auf die Risikoliste zu setzten. Hunderte Touristen reisten noch am Mittwoch in die Schweiz.
Vielen Leuten stiess dies sauer auf. Denn die vorzeitigen Heimkehrer konnten dadurch gekonnt der Quarantänepflicht entgehen. Einige schimpfen in den Nau.ch-Kommentaren über die Risiko-Ignoranten, werfen ihnen puren Egoismus vor. Andere halten die Frist für sinnlos und wettern gegen den Bund.
Epidemiologe Marcel Salathé ist in diesem Thema anderer Meinung. Das Covid-19-Task-Force-Mitglied hält es für durchaus sinnvoll, eine Gnadenfrist für die Quarantänepflicht zu setzten, wie er gegenüber «10vor10» von SRF sagt: «Es hat natürlich praktische Gründe und ist letztendlich auch eine Frage der Fairness.» Man gebe damit den Reisenden ein «wenig Vorlaufzeit».

Salathé ist sich bewusst, dass die Gnadenfrist eine gewisse «Willkürlichkeit» beinhaltet. Sollte die Quarantänepflicht ab sofort gelten, sobald das BAG ein Land auf die Risikoliste setzt? Für den Mitentwickler der Contact-Tracing-App der falsche Ansatz: «Das ist international schon vorgekommen. Damit würden die Personen in den Risikoländern aber komplett überrascht werden und könnten gar nicht mehr reagieren.»
Risikoabwägung in einem sozialem Kontext
Marcel Tanner ist ebenfalls ein Mitglied der Covid-19-Task-Force. Der Basler Epidemiologe hält die Gnadenfrist auch für richtig, damit sich die Menschen organisieren können. Aus seiner Sicht sorgt die Frist dafür, dass die Reisenden mitmachen.

Ein sofortige Quarantänepflicht hält er für eine weniger kluge Variante: «Dies könnte theoretisch zu weniger Ansteckungen führen. Aber das Mitmachen der Bevölkerung, das Melden bei den Kantonen für die Quarantäne würde eher umgangen werden», glaubt er.
Unzufriedenheit und Unverständnis würden ohne Frist dominieren. «Was letztlich zu noch mehr Fällen führen könnte», so Tanner. Die Entscheidung für die Gnadenfrist beruhe auf einer Risikoabwägung in einem sozialen Kontext.