Rund 50 Prostituierte befinden sich seit Sonntag an der Zürcher Langstrasse in Corona-Quarantäne. Im Rot-Licht-Quartier hält sich das Mitleid in Grenzen.
Die 50 Frauen in Quarantäne leben und arbeiten in diesem Haus an der Zürcher Langstrasse. - Nau.ch
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Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Frau wurde an der Zürcher Langstrasse positiv aus das Coronavirus getestet.
  • 50 Prostituierte aus Afrika sind jetzt in einem Haus im Rot-Licht-Quartier in Quarantäne.
  • Das Mitleid im Quartier hält sich in Grenzen.

Am Wochenende wurde eine Frau (23) im Zürcher Rot-Licht-Milieu positiv auf das Coronavirus getestet. Gestern Mittwoch wird bekannt, dass auch eine zweite Frau positiv getestet wurde.

Erstere lebt in der Liegenschaft Langstrasse 108. Im Parterre des Hauses befindet sich die berüchtigte Kontaktbar «Lugano-Bar». Dort treffen sich regelmässig Freier und Prostituierte.

In drei Etagen überhalb der Bar sind seit Sonntag rund 50 Kolleginnen der positiv gestesten Frau in Quarantäne. Die Frau selber ist in einem Isolierzimmer des Unispitals.

Am Sonntag wurden die Polizisten von den wütenden Frauen attackiert. Zwei Polizisten befinden sich ebenfalls in Quarantäne, weil ihr Gesichtsmasken beim Handgemenge verrutschten.

Drei Tage später scheint im Haus an der Langstrasse 108 alles unter Kontrolle. Zwar sind ab und zu kreischende Frauenstimmen zu hören, doch niemand kommt aus dem Haus oder geht in das Haus rein. Die 50 Prostituierten in Quarantäne stammen aus Afrika.

Coronavirus Langstrasse
Die «Lugano Bar» liegt an der Zürcher Langstrasse. Eine Sexarbeitende hat sich mit dem Coronavirus infiziert. - Googlemaps

Bis zu sechs Frauen in einem Zimmer?

«Ich habe kein Mitleid mit diesen Frauen», sagt eine Serviertochter in einem Restaurant vis-à-vis. «Ich lebe und arbeite schon seit Jahrzehnten an der Langstrasse. Diese Frauen haben hier einen schlechten Ruf. Sie schreien herum und bestehlen ihre Freier. Auch Passanten sind nicht vor ihnen sicher.»

Die 50 Prostituierten leben auf drei Etagen. «Es scheint, dass sich bis zu sechs Frauen ein Zimmer teilen», sagt ein Milieu-Kenner. «Jede Frau muss offenbar pro Tag 100 Fr. zahlen.»

Auch ein Taxifahrer aus dem Kosovo, der seit 36 Jahren an der Langstrasse im Einsatz ist, hat kein Mitleid mit den afrikanischen Prostituierten. «Es ist gut, dass sie in Quarantäne sind. Wir müssen uns schliesslich alle vor dem Coronavirus schützen. Jeder weiss hier, dass diese Frauen sehr aggressiv sind.»

langstrasse
Die 50 Prostituierten leben auf nur drei Etagen über der Lugano Bar. - Google Maps

Quarantäne-Haus ist verpachtet

Das Haus an der Langstrasse 108 gehört einem Türken, der nebenan eine Bar führt. «Wir haben nichts damit zu tun», sagt sein Bruder. «Das Haus ist verpachtet. Alles, was man jetzt darüber liest, stimmt nicht.»

Der Pächter des Quarantänehauses, ein Deutscher namens «Rainer», nimmt zwar das Telefon ab. Doch reden will er nicht. «Ich bin nicht Rainer», lügt er und hängt dann auf.

In der «Lugano-Bar» im Parterre herrscht gähnende Leere. Der Barkeeper winkt ab: «Wir haben nichts mit den oberen Etagen zu tun. Wir halten hier die Corona-Regeln ein.»

Angst unter Prostituierten

Die anderen Prostituierten an der Langstrasse halten Distanz zu der Quarantäne-Liegenschaft. «Ich habe grosse Angst, dass jetzt das ganze Quartier verseucht ist», sagt Paula (30), die am Nachmittag in einer Kontaktbar auf Freier wartet.

«Diese Frauen sollten noch viel länger als 14 Tage in Quarantäne. Wahrscheinlich haben sie auch ihre Freier angesteckt.»

Auch im legendären Restaurant «Sonne» findet man, dass die Quarantäne für die 50 Frauen aus Afrika gerechtfertigt ist. «Ja, es stimmt schon, jetzt können diese Frauen kein Geld verdienen. Das ist nicht gut», sagt eine Serviertochter. «Doch unser Schutz geht vor. Wir müssen alles tun, damit sich dieses Virus nicht weiter ausbreitet.»

Der Kantonsärztliche Dienst verfügte die Quarantäne für die rund 50 Frauen. Eine Hilfsorganisation liefert jeden Tag Essenspakete für die isolierten Prostituierten.

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