Das Kritisieren der SBB wird salonfähig – nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch unter Politikern. Der Kommunikations-Experte erklärt die Gründe dafür.
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Reisende steigen am Bahnhof Bern in einen Intercity-Zug der SBB ein. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Politiker von rechts bis links hacken wiederholt auf der SBB rum.
  • Das ist auch Kalkül, erklärt der Kommunikations-Experte.

Es tut gut. Sich gemeinsam mal so richtig über etwas aufzuregen, sich grün und blau zu ärgern, zu motzen, zu lästern, Dampf ablassen. Oft und gern gewähltes Ziel von solchen Schwarm-Klagen: die SBB. Verspätungen, Ausfälle, Störungen geschehen in zuverlässiger Regelmässigkeit – die Gründe für den Ärger sind mannigfaltig.

Nicht nur am Arbeitsplatz und im Feierabendbier bekommt die SBB ihr Fett weg. Auch Politiker haben das SBB-Bashing für sich entdeckt. Doch: Steckt dahinter Wahlkampf-technisches Kalkül?

Es ist kein Zufall, dass sich Politiker über die SBB ärgern, bestätigt Professor Peter Stücheli-Herlach. Er forscht an der ZHAW zu angewandter Linguistik im Bereich Organisationskommunikation und Öffentlichkeit.

Er erklärt: «Es gibt eine breite Betroffenheit. Und die SBB sind ein öffentliches Unternehmen. Da gibt es eine gute Legitimation für eine öffentliche Debatte.»

Politiker und solche die es werden wollen zeigen mit Botschaften wie den SBB-Kritiken, dass sie profan und normalsterblich, auf Augenhöhe mit der Wählerschaft sind. «Es ist ein Merkmal unseres politischen Systems, dass Politiker kein abgeschottetes Leben führen», sagt Stücheli-Herlach. «Zudem haben die sozialen Medien ganz neue Möglichkeiten eröffnet, Alltagserlebnisse im Netzwerk zu teilen und in die eigenen Erzählungen einzubauen.»

Motzen über die SBB – Lästern schafft Gemeinsamkeit

Gemeinsamkeiten schaffen mit ihren potenziellen Wählern und sie an sich binden: das ist die hohe Kunst der Politik, so Stücheli-Herlach. Das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken wollen aber nicht nur Politiker und ihre Wählerschaft, es ist geradezu ein Grundelement menschlicher Kommunikation.

«Jede soziale Kommunikation zielt darauf ab», sagt der Linguistik-Professor. Man sollte es aber nicht darauf reduzieren. Politiker haben geradezu die Aufgabe, wach durch die Welt zu gehen und zu öffentlichen Angelegenheiten auch eine öffentliche Debatte zu führen.»

Für Stücheli-Herlach geht es hierbei gar um die «Kernfrage der Demokratie». Doch: «Die Anforderungen sind enorm gestiegen, seitdem die Parteien an bindender Kraft verloren haben.» In sozialen Medien anhand alltäglicher Episoden die eigenen Werte zu erzählen, sei sicher eine der Methoden, mit dem Politiker Gemeinsamkeiten zu schaffen versuchen. «Über die Qualität einzelner Tweets kann man natürlich geteilter Meinung sein», fügt er an.

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