Sie sind jahrelang zusammen und lieben sich – wollen aber nicht zusammenziehen. Viele Junge zögern die gemeinsame Wohnung lange heraus. Was steckt dahinter?
Paket
Gen Z und Millennials warten mit dem Zusammenziehen länger als ihre Eltern und Grosseltern, beobachtet eine Expertin. (Symbolbild) - pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • Junge Paare warten länger mit dem Zusammenziehen als frühere Generationen.
  • Das hat einerseits mit teuren Wohnungen zu tun – andererseits mit sozialen Veränderungen.
  • Eine Paartherapeutin lobt diese Entwicklung.
Ad

Die Bernerin Nuria K.*(22) und ihr Freund (25) sind seit rund sieben Jahren ein Paar. Zusammenziehen kommt für die beiden aber noch nicht infrage – zumindest für Nuria nicht.

«Ich möchte nicht direkt vom Elternhaus aus mit meinem Freund zusammenziehen. Das Konzept dünkt mich veraltet», erklärt sie bei Nau.ch. Vorher möchte sie noch vieles erleben, zum Beispiel eine WG.

Der Hauptgrund sei aber ein anderer. «Wir wollen punkto Wohnen im Moment verschiedene Dinge. Für ihn ist klar: er will in der Gemeinde bleiben, in der er aufgewachsen ist – ich will dort aber nicht hinziehen.» Die beiden hätten auch andere Vorstellungen von Sauberkeit.

Viele Paare ziehen in WGs

Was Nuria beschreibt, ist kein Einzelfall. «Ich beobachte, dass Millennials und Gen Z länger warten mit dem Zusammenziehen», sagt die Zürcher Paartherapeutin Margareta Hofmann zu Nau.ch.

Grund seien einerseits wirtschaftliche Veränderungen. «Kleine, günstige Wohnungen sind in städtischen Regionen kaum zu kriegen. Falls beide Partner studieren, fehlt es am Geld für die Miete.»

Margareta Hofmann
Margareta Hofmann von Paarberatung & Mediation im Kanton Zürich beobachtet, dass sich jüngere Paare mehr Zeit lassen beim Zusammenziehen.
Umziehen
Grund seien sowohl wirtschaftliche als auch soziale Veränderungen. (Symbolbild)
Trennung
Das findet sie aber auch gut – wer zu früh zusammenziehe, riskiere mittelfristig die Trennung. (Symbolbild)

Sie beobachte im Raum Zürich deshalb einen neuen Trend: «Viele Paare leben nicht mehr zu zweit zusammen, sondern in einer WG.» Solche Wohngemeinschaften gibt es auch in der Stadt Bern, wie Nau.ch weiss.

Junge fühlen sich von «gefühlt unendlichen Möglichkeiten» verunsichert

Doch es gibt auch andere Gründe. Jugendforscher Simon Schnetzer schreibt auf seiner Webseite: «Die Generation Z hat gefühlt unendlich viele Möglichkeiten bei egal was sie tut.»

Da fühlen sich viele hin- und hergerissen und verunsichert, beobachtet Psychologin Hofmann. «Sie haben zwar das Bedürfnis nach Nähe in einer schönen Partnerschaft, aber auch eine ‹Fear of missing out› (Deutsch: Angst, etwas zu verpassen).»

Wann sollte man mit seiner besseren Hälfte zusammenziehen?

Einige junge Paare kommen gar zu Hofmann, um sich zu Ängsten rund ums Zusammenziehen beraten zu lassen. «Oft wollen sie nicht die Streit-Dramen wiederholen, die sie selbst mit ihren Eltern erlebten. Sie wollen es besser machen», erklärt die Expertin.

Beim Zusammenziehen würden unterschiedliche Einstellungen deutlicher ans Licht kommen. «Die gilt es, zu verhandeln.»

Häufige Fragen seien: «Wie lösen wir Konflikte konstruktiv? Wie gehe ich mit den depressiven Phasen des Gegenübers um? Wie reagiere ich bei sich wiederholendem Suchtverhalten? Wie grenzen wir uns ab von störenden Ex-Partnern?»

Expertin lobt Junge fürs Warten

Aber ist es denn nun eine gute oder schlechte Entwicklung, dass Junge mit dem Zusammenziehen länger warten als ihre Eltern?

Für Hofmann ist klar: «Paare, die früh und jung zusammenziehen, lieben sich zwar vielleicht innig. Doch das birgt das Risiko, dass man sich nicht genügend Raum lässt für die persönliche Entwicklung.» Ist das der Fall, sei eine Trennung mittelfristig wahrscheinlich.

Die Expertin lobt deshalb die zuwartenden Jungen: «Wichtig ist, dass Paare vor dem Zusammenziehen ihre Erwartungen und Ziele besprechen. Wer sich dafür Zeit nimmt und die Herausforderungen des Zusammenlebens partnerschaftlich anpackt, hat gute Prognosen.»

*Name von der Redaktion geändert

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

WohnweltAngst