Janina Stucki erfährt, dass ihr männlicher Arbeitskollege mit gleichen Qualitäten 20 Prozent mehr verdient als sie – und bringt den Fall vor Gericht.
Janina Stucki
Janina Stucki verdiente 20 Prozent weniger als ihr männlicher Arbeitskollege mit den gleichen Qualitäten. - SRF Kassensturz

Das Wichtigste in Kürze

  • Janina Stucki verdiente lange Zeit 20 Prozent weniger als ihr Arbeitskollege.
  • Sie ist überzeugt, dass es sich um eine geschlechterspezifische Lohnungleichheit handelt.
  • Die Arbeitgeberin BKW bestreitet das. Nun klagt die Kommunikations-Fachfrau.
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«Ich bin im Glauben aufgewachsen, dass wir Gleichstellung erreicht haben», sagt Kommunikations-Fachfrau Janina Stucki gegenüber dem «SRF Kassensturz». Sie wurde aber böse überrascht, als sie erfuhr, dass ihr männlicher Kollege 20 Prozent mehr verdient. Nun bringt sie den Fall vor Gericht.

Von vorne: Bei Janinas Vorstellungsgespräch legt ihr Chef die Karten offen auf den Tisch. Dem kleinen Start-Up, einer Tochterfirma des Energiekonzerns BKW, sei Lohntransparenz sehr wichtig. Bei ihnen gäbe es keine Lohnverhandlung. Die Angestellten würden nach Ausbildung und Berufserfahrung in einer Tabelle eingestuft, welche den Lohn bestimmt.

Per Zufall wird über Lohn gesprochen

Janina ist damit sehr zufrieden. Ein halbes Jahr später wird ein neuer Kollege eingestellt – dieser hat ein ähnliches Profil wie Janina. Die Stimmung ist gut – Janina lädt ihr Team zum Abendessen zu sich nach Hause ein. Sie erinnert sich: «Per Zufall ist zur Sprache gekommen, dass mein männliches Pendant mehr verdient als ich.»

Sie spricht die Ungerechtigkeit beim nächsten Gespräch mit ihrem Chef an. Dieser reagiert abweisend und Janina muss mehrmals nachfragen, bis sich etwas tut. Sechs Wochen nach dem Gespräch wird ihr Lohn um 20 Prozent erhöht – von 100'000 Franken pro Jahr auf 120'000. Nun verdienten alle im Managerteam gleich viel, hiess es.

BKW Logo Bern
Janina freute sich auf ihre Anstellung bei einer Tochterfirma der BKW – besonders gut fand sie das transparente Lohnsystem.
Arbeitende mit Dokument
Die Arbeitenden würden nach Ausbildung und Berufserfahrung in eine Tabelle eingetragen. Diese bestimme den Lohn – darüber würde nicht diskutiert. (Symbolbild)
Abendessen mit Wein und Deko
Janina lädt ihr Team zum Abendessen bei sich zuhause ein. Dort erfährt sie zum ersten Mal, dass ihr männlicher Kollege doch diskutiert hat – und jetzt mehr verdient als sie. (Symbolbild)
Roger Rudolpf
Hier liege klar eine Lohndiskriminierung vor, meint Arbeitsrechtsexperte Roger Rudolph.
Janina Stucki mit Regenschirm
Mittlerweile arbeitet Janina nicht mehr für die BKW. Doch sie will rückwirkend gegen die Diskriminierung ankämpfen – auch wenn sie dafür bis vors Bundesgericht gehen muss.

Es zeigte sich somit: Ihr Arbeitskollege hatte von Beginn an 20 Prozent mehr verdient als Janina Stucki. Die BKW bestreitet eine Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts gegenüber SRF: «Die Lohneinstufung von Frau Stucki wie auch aller anderen Mitarbeitenden erfolgte anhand objektiver und nachvollziehbarer Kriterien.»

Sind Sie zufrieden mit Ihrem Lohn?

Anders sieht das Arbeitsrechtsexperte Roger Rudolph: «Die Umstände sprechen natürlich für sich», sagt er zum Sender. «Wenn gleiche oder gleichwertige Arbeit vorliegt, haben Männer und Frauen Anspruch darauf, den gleichen Lohn zu erhalten.» Wenn sich jemand wegen des Lohns beklage und kurz darauf eine Lohnerhöhung kommt, werde glaubhaft gemacht, dass eine Lohndiskriminierung vorliege.

BKW streitet Diskriminierungs-Vorwürfe weiter

Janina Stucki verlässt das Unternehmen Ende 2022 und beschliesst, sich rückwirkend zu wehren. Bei der Schlichtungsbehörde kommt es nicht zu einer Einigung. Die Behörde schlägt vor, dass ihr der höhere Lohn ab der Einstellung des Arbeitskollegen ausgezahlt wird. Sie würde 11'400 Franken erhalten.

Sie ist damit nicht einverstanden und fordert den höheren Lohn ab Tag eins ihrer Anstellung.

Notfalls würde sie bis vor Bundesgericht gehen, erzählt die junge Frau. «Ich mache das für all die Frauen, die nicht dieses Privileg der zeitlichen, finanziellen und emotionalen Ressourcen haben. Ich finde es wichtig, dass sich in Zukunft etwas verändert», sagt sie zum «Kassensturz». Keine Frau solle mehr für den gleichen Lohn kämpfen müssen.

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