Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer entscheiden sich gegen Kinder. Das kann im Alter gewisse Herausforderungen mit sich bringen.
senioren
Oft unterstützen Kinder ihre Eltern im Rentenalter bei administrativen Angelegenheiten. Immer mehr Senioren sind jedoch kinderlos. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Immer mehr Seniorinnen und Senioren haben keine Kinder, die sie betreuen können.
  • Eine Betroffene erklärt, es liege in der Eigenverantwortung, sich Hilfe zu suchen.
  • Ein Experte schlägt vor, der Spitex künftig auch soziale Aufgaben zu übertragen.
Ad

Kinder sind für viele ältere Menschen eine wichtige Unterstützung im Alltag. Sie helfen im Haushalt, bei administrativen Angelegenheiten und bei der Pflege. Aber inzwischen entscheiden sich immer mehr Schweizerinnen und Schweizer für ein kinderloses Leben.

Im Jahr 2018 hatten laut Bundesamt für Statistik 20,7 Prozent der 65- bis 80-Jährigen hierzulande keine Kinder. Fünf Jahre vorher waren es noch 18,1 Prozent gewesen.

«Muss mich informieren, wo ich Hilfe holen kann»

Zwei Betroffene sprechen mit «CH Media» über die Herausforderungen. Der verwitwete und kinderlose Lothar Hilbich (78) berichtet von seiner Blasenstein-Entfernung, als er relativ schnell ins Spital musste. «Ich konnte niemanden anrufen und fragen, ob er oder sie mir eine Zahnbürste bringt», sagt er. Seine nächsten Verwandten leben im Ausland.

Die 80-jährige Rosmarie Fischer hat keine Kinder. Die ledige Seniorin wohnt mit einer Freundin in einer Alters-WG in Aarau und sagt: «Bis zu einem gewissen Punkt können wir uns in der WG gegenseitig helfen.»

alter kinder
Immer mehr Seniorinnen und Senioren haben keine Kinder, die sie betreuen können.
alter
Für keine Sachen, bei denen sonst das Umfeld helfen würde, müssen sie extern Hilfe holen.
alter
Viele ältere Menschen ohne Kinder haben jedoch ihren Alltag auch ohne Kinder gut im Griff und sind zufrieden.
alter
Ein Experte sieht bezüglich sozialer Aufgaben Potenzial bei der Spitex.

Sie hat zwar Nichten und Neffen, die ihr versichert haben, ihr im Alter zu helfen. Hätte sie dieses Umfeld jedoch nicht, würde sie sich an Pro Senectute oder andere Organisationen wenden, erklärt sie. Das Stichwort sei Eigenverantwortung. «Ich muss mich informieren, damit ich weiss, wo ich mir Hilfe holen kann.»

Doch nicht nur Menschen, die keine Kinder haben, haben diese Probleme. Denn heutzutage wohnen viele erwachsene Kinder nicht mehr in der Nähe ihrer Eltern. Auch in zerstrittenen Familien können Eltern im Alter nicht auf die Unterstützung ihrer Kinder zählen.

Das Aargauer Departement für Gesundheit und Soziales geht davon aus, dass der Anteil kinderloser Rentnerinnen und Rentner weiter steigen wird.

Experte sieht Potenzial bei Spitex

Ältere Menschen ohne betreuende Familienangehörige sind jedoch nicht zwingend vulnerabel, isoliert, einsam oder hilfsbedürftig. Das hält Carlo Knöpfel von der Fachhochschule Nordwestschweiz in einer Studie fest.

Der Professor für Sozialpolitik und Soziale Arbeit erklärt: «Viele der in der Studie befragten Personen waren zufrieden und hatten ihren Alltag gut im Griff. Wenn man sie aber fragte, wie die Situation in drei oder vier Jahren sein wird, bekamen sie Angst

Generell gebe es viele Beratungs-, Hilfs- und Freizeitangebote für ältere Menschen. Nur die wenigsten sind jedoch explizit auf Senioren ohne Familienangehörige ausgerichtet. Zudem sind die Angebote oft nicht bekannt.

«Es braucht mehr Anstrengungen für aufsuchende soziale Altersarbeit», hält Knöpfel fest. Zum Beispiel bei der Spitex.

Haben Sie Kinder?

«Bei schwer erreichbaren Personen ist die Spitex oft die erste Organisation, die Kontakt hat», so der Experte. «Die Spitex sollte in Zukunft nicht nur medizinisch-pflegerische, sondern mehr soziale Aufgaben wahrnehmen.» Hinzu kämen dann ergänzend Nachbarschaftshilfe und ähnliche Angebote.

Zudem betont Knöpfel: Um nicht zu verarmen, sei es auch für ältere Menschen wichtig, eine Aufgabe zu haben. «Meine Mutter ist 91 Jahre alt. Auf meine Intention hin begann sie, zwei Frauen aus der Ukraine in Deutsch zu unterrichten. Sie fühlt sich gebraucht und hat neue Freundinnen gefunden.»

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

BFSRentnerMutterStudieWohnweltAngst