Immer mehr beschlagnahmte Tiere – Heime müssen ihre Pfleger schützen
Die Anzahl beschlagnahmter Tiere in der Deutschschweiz steigt. Viele leben verwahrlost. Die Halter sind oft uneinsichtig. Was für Heime gefährlich werden kann.

Das Wichtigste in Kürze
- Immer mehr Tierhalter in der Deutschschweiz schauen nicht gut oder kaum zu ihren Tieren.
- Betroffen sind vor allem Haushalte mit mehreren Tieren.
- Das Unverständnis der Halter geht so weit, dass Tierpfleger in Gefahr sind.
Verwahrlost und vernachlässigt: Die Zahl der beschlagnahmten Tiere in den deutschsprachigen Kantonen steigt dramatisch an.
Im Wallis hat sie sich innerhalb eines Jahres verdoppelt, im Kanton Aargau sogar mehr als verdreifacht. Ein alarmierender Trend.
«Die Fälle haben enorm zugenommen, besonders von schlimmen Fällen der Verwahrlosung und Vernachlässigung der Tiere.» Das erklärt eine Sprecherin eines Tierheimes aus dem Kanton Aargau gegenüber Nau.ch. Sie möchte anonym bleiben.
Haushalte mit vielen Tieren sind am meisten betroffen
Im Kanton Aargau sind vor allem sogenannte Mehrtierhaltungen betroffen – Haushalte, in denen eine grosse Anzahl Tiere zusammenlebt. Besonders häufig wurden Katzen, Hunde, Kaninchen und Meerschweinchen beschlagnahmt, wie SRF berichtet.
Die Tierhalter, deren Tiere beschlagnahmt wurden, zeigen oft wenig Einsicht. «Es gibt eine Art Blindheit und Unverständnis der Halter. Sie verstehen nicht, was sie falsch machen und was nicht gut ist», so die Tierheim -Sprecherin zu Nau.ch.
Das Unverständnis ist so gross, dass das Tierheim im Kanton Aargau inzwischen Kameras installieren musste. Nur so könne die Sicherheit der Tiere und jene der Pfleger gewährleistet werden.
Denn: Weil sie ihre Fehler nicht einsehen, wollen die Halter ihre Lieblinge zurückholen.
«Unser Tierheim ist in der Zwischenzeit zu 100 Prozent videoüberwacht. Denn die Halter fahren auch Tierheime ab und suchen nach ihren Tieren. Dies kann für uns als Tierpfleger gefährlich werden.»
Tierheime am Anschlag
Die vielen verwahrlosten Tiere bringt das Heim an seine Grenzen. «Da wir ein kleines Tierheim sind, wird es für uns schwer, auch normale Verzichtstiere bei uns aufzunehmen. Zumal wir fast nur noch beschlagnahmte Tiere bei uns haben – nebst den Ferientieren.»
Gemäss dem Veterinäramt Zürich werden insgesamt deutlich mehr Haustiere als Nutztiere beschlagnahmt. Für die steigenden Zahlen bei Heimtieren hat das Amt eine mögliche Erklärung. Und die liegt nicht nur bei den Tierhaltern selbst.
«Keine Ausbildung»
Sprecherin Julia Lang sagt: «Dies kann unter anderem daran liegen, dass es bei der privaten Haltung einer geringen Anzahl von Heim- und Haustieren in der Regel keine Ausbildung braucht. Und Kontrollen nur durchgeführt werden, wenn es einen begründeten Verdacht gibt. Zum Beispiel eine eingegangene Tierschutzmeldung.»
Nutztierhalter würden über eine Fachausbildung verfügen, so Lang. «Und Tierhaltungen im Nutztierbereich werden aufgrund des gesetzlich geregelten nationalen Kontrollplans (NKP) wiederkehrend, aktiv kontrolliert.»
Das Amt für Veterinärwesen des Kantons Bern weist darauf hin, dass eine Beschlagnahmung oft alles andere als schnell gehe. Werde der Rechtsweg voll ausgeschöpft, ziehe sich der Prozess teils über Jahre hin: «Wenn der Tierhalter sämtliche juristischen Möglichkeiten ausschöpft, dauert es manchmal zwei bis drei Jahre, bis eine Tierhaltung aufgelöst werden kann.»
Einfacher sei es, wenn «die Situation so schlimm ist, dass die Tiere unmittelbar leiden. In diesen Fällen kann das Amt für Veterinärwesen umgehend einschreiten.»
Als grosse Herausforderung nennt das Amt die begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen. Ein Problem, das sich mit der steigenden Zahl an Fällen weiter verschärft.